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Teufelspfad

Teufelspfad

Titel: Teufelspfad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. T. Ellison
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verschätzt hatte, dass sie durch seinen Fehler hätte verletzt oder gar getötet werden können, machte ihn beinahe handlungsunfähig. Am liebsten würde er Taylor in ein Flugzeug setzen und so schnell wie möglich von hier fortbringen. Auf irgendeine kleine tropische Insel, wo er die örtliche Polizei mit einer großzügigen Spende dazu bringen könnte, sie zu beschützen, und eine Gruppe angeheuerter Bodyguards dafür sorgen würde, dass sie in Sicherheit war, bis der Mistkerl gefasst war.
    Nicht sehr rational, aber verlockend. Sehr verlockend.
    Die kleine Flamme des Gasherds brauchte Ewigkeiten, um das Wasser zum Kochen zu bringen. Er beschloss, solange die gestrige Post von draußen hereinzuholen. Sie waren gleich morgens nach North Carolina abgehauen, und bislang war er noch nicht dazu gekommen, den Briefkasten zu leeren. Er schaltete die Alarmanlage aus, damit Taylor nicht von dem Piepen geweckt würde, und schlüpfte zur Haustür hinaus. Im hellen Sonnenlicht musste er blinzeln. Er schirmte seine Augen mit der Hand ab – das erste Sonnenlicht des Tages, blendend wie ein Stroboskop.
    Der Briefkasten war voll mit dem üblichen Kram. Auf dem Rückweg zum Haus blätterte Baldwin die Post durch. Rechnung. Rechnung. Zwei Kreditkartenabrechnungen, eine für ihn, eine für Taylor. Kataloge von Geschäften, bei denen sie nie einkauften. Zeitschriften. Er seufzte. Einfach nur ein Haufen Müll. Er schob die Briefe wieder zusammen und betrat das Haus.
    Beinahe hätte er es übersehen.
    Wenn er nicht über die Stufe gestolpert wäre und den Stapel fallen gelassen hätte, hätte er es nicht gesehen. Es lugte auf den roten Pflastersteinen zwischen zwei Zeitschriften heraus. Ein roter Umschlag mit dem handgeschriebenen Namen Taylor darauf. Er war nicht zugeklebt, die Lasche steckte hinten nur lose drin. Mit einem Stift öffnete er den Umschlag. Darin steckte eine Valentinskarte.
    Er öffnete sie und ignorierte die schmalzigen Worte vorne drauf. Stattdessen las er gleich die Nachricht im Inneren.
    Rosen sind rot
Veilchen sind blau
Colleen Keck ist tot
Und du bist es auch.
    In der Karte lag außerdem eine dünne Kunststoffhülle mit einer CD darin.
    Er ließ alles auf die Stufen fallen und rannte ins Haus, schlug die Tür hinter sich zu und nahm die Treppe nach oben zwei Stufen auf einmal.
    Ihr Schlafzimmer lag im Dunkeln; das einzige Geräusch war Taylors leiser, tiefer Atem.
    Ihr ging es gut.
    Ihm nicht. Er war schwer verstört. Er schaute ihr ein paar Minuten beim Schlafen zu, dann ging er leise durch das gesamte Haus und schaute in allen Badezimmern und Schränken nach. Niemand da. Keine Fallen, keine Tricks. Der Mistkerl spielte schon wieder mit ihnen.
    Er kehrte nach unten zurück, schaute auch da überall nach, und ging dann nach draußen, um die restliche Post hereinzuholen, die verteilt auf den Stufen lag, wo er sie hatte fallen lassen. Er hob die Karte auf und achtete dieses Mal nicht auf die Worte, sondern auf die Kunststoffhülle. Mit dem Umschlag der Kreditkartenabrechnung drehte er die Hülle herum. Die CD war mit schwarzen Blockbuchstaben beschriftet. Nummern. Bevor er sie entschlüsseln konnte, fing sein Herz schon an zu rasen. Die Haare im Nacken standen ihm zu Berge. Jemand war hinter ihm.
    Jesus.
    Er rührte sich nicht und wurde ganz ruhig.
    Das war es also. Trotz seiner erhöhten Alarmbereitschaft war er unachtsam gewesen und hatte sich vor seinem Haus erwischen lassen. Die Haustür war unverschlossen, die Alarmanlage nicht an. Perfektes Timing. Wie hatte er nur so dumm sein können, in seiner Aufmerksamkeit nachzulassen, während Taylor schlief und so verletzlich war wie nie?
    Nichts. Kein Schuss, kein Geräusch.
    Er konnte nicht anders, er drehte den Kopf und schaute sich um.
    Zwei Männer standen neben ihm. Große Männer, fit, muskulös, mit dunklen Sonnenbrillen und Pistolenholstern. Keiner bewegte sich oder griff nach seiner Waffe.
    Er atmete noch.
    Baldwin stand ganz langsam auf. Er sammelte die Post ein und strich seine Hose glatt. Ein großer Fehler, unbewaffnet an den Briefkasten zu gehen, sich nicht umzusehen, schnell wieder ins Haus zurückzueilen, die Tür unverschlossen zu lassen. Er war so in Gedanken versunken gewesen, so konzentriert, dass er vergessen hatte, was auf dem Spiel stand.
    Die Männer rührten sich nicht.
    „Gentlemen“, sagte er schließlich. „Was kann ich für Sie tun?“
    „Geht es Miss Taylor gut, Sir?“
    Sir. Miss Taylor. Respektvoll. Sein Atem kehrte zu ihm zurück.

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