Teufelspfad
kaltes Metall.
„Ihre Hände. Sofort.“
Jetzt war der richtige Moment. Er zog die Waffe unter dem Sitz vor, richtete sich auf und zielt auf den direkt vor ihm stehenden Cop. Er drückte den Abzug durch. Sah grauen Himmel. Was? Er drückte noch einmal ab, doch es löste sich kein Schuss.
Schreie, Rufe.
Oh.
Jetzt spürte er den Schmerz. Ein Brennen in seiner Brust. Der Kies roch nach Benzin. Eine Schar Wildgänse flog rufend über ihn hinweg. Er hatte Gänse schon immer gemocht. Sein Großvater hatte welche auf seiner Farm in Nordkalifornien gehabt und sie als Plage bezeichnet. Er hatte sich immer gefragt …
46. KAPITEL
Lincoln hob den kleinen Jungen auf, den Colleen Keck, falsch, den Emma Brighton auf den harten, kalten Zementboden vor dem CJC hatte fallen lassen. Flynn weinte. Er war von dem unwürdigen Aufprall so geschockt, dass er noch gar nicht gemerkt hatte, dass seine Mutter nicht mehr bei ihm war.
Lincoln klopfte dem Kleinen ein paar Mal auf den Rücken, dann reichte er ihn einem Hilfssheriff, der gerade vorbeikam. „Bring ihn bitte hoch zur Mordkommission. Jetzt gleich. Ich bin in einer Minute zurück. Ich muss seine Mutter einholen.“
Der Hilfssheriff bedachte Lincoln mit einem wütenden Blick, nahm ihm aber Flynn wie befohlen ab und ging ins Gebäude zurück.
Lincoln rannte über die Straße zur Tiefgarage. Er sah Colleen nicht mehr, sie hatte zu viel Vorsprung. Da er nicht wusste, auf welcher Ebene sie geparkt hatte, sprang er die erste Treppe hinunter und lief durch die Reihen parkender Autos. Die Betonwände und -decken, die von kräftigen Strahlern erhellt wurden, schimmerten in geisterhafter Stille. Es war noch sehr früh, also standen nur wenige Autos auf den Plätzen. Er sah weder einen anderen Menschen, noch hörte er den Motor eines Wagens.
Irgendetwas stimmte hier nicht. Er zog seine Waffe und konzentrierte alle seine Sinne. Er roch Blut. Frisches Blut.
Er machte drei Schritte auf den Geruch zu. Von rechts eilte eine Frau auf ihn zu, wie eine Wachtel, die von einem Vogelhund gejagt wird. Es gab kein Geräusch, keinen Warnruf, nur die schneller werdenden Schritte auf dem Beton. Ein Jäger. Sein Gehirn versuchte, die Szene zu verarbeiten: Das war nicht Colleen; die Frau hatte ein Messer; sie kam mit ausgesteckter Klinge auf ihn zu. Er hörte auf zu denken und ließ seine Instinkte übernehmen. Sein Finger drückte mit der Präzision von vielen Jahren auf dem Schießstand ab. Massenschwerpunkt, drei Schüsse.
Die Frau sackte stöhnend zu seinen Füßen zusammen. Das Messer fiel scheppernd auf den Boden. Er schüttelte den Kopf. Der Schuss hallte in seinen Ohren nach. Alle Geräusche klangen wie in einem Tunnel oder Unterwasser. Schmierige Stimmen, Rufe, hallende Echos.
Die Schüsse waren ein wenig tiefer eingedrungen als geplant. Das Adrenalin hatte dazu geführt, dass er die Spitze der Glock ein wenig zu weit nach unten gehalten hatte. Oder vielleicht hatte er sie gar nicht ganz hochgehoben? Das würde er sich auf dem Schießstand noch einmal anschauen müssen, aber Tatsache war, dass er noch nie zuvor seine Waffe im Dienst abgefeuert hatte. Das würde einen wahren Shitstorm hervorrufen, so viel war klar. Normalerweise töteten Officer keine Besucher im Parkhaus des Criminal Justice Center. Er spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach.
Die Frau hörte auf, zu stöhnen.
Er beförderte das Messer mit einem Tritt außer Reichweite und beugte sich vor, um nach ihrem Puls zu fühlen. Schwach, unregelmäßig. Ohne sofortige medizinische Versorgung würde sie sicher sterben.
Er schaute sich nach Colleen um, konnte sie jedoch nirgendwo entdecken. Und er hatte weder sein Funkgerät noch sein Handy dabei. Er war so schnell rausgerannt, dass er nichts mitgenommen hatte; beides lag noch schön ordentlich auf seinem Schreibtisch.
Zwei Reihen weiter stand ein alter Honda Civic ganz allein auf dem Platz direkt neben dem Fahrstuhl. Eine dunkle Ölspur führte von der hinteren Tür auf der Fahrerseite weg. Die Tür selber war nur angelehnt.
Colleen.
Rufe ertönten, schwere Schritte auf dem kalten, harten Betonboden, Menschen, die von den Schüssen alarmiert worden waren.
Er lief in einem Bogen zu dem Honda und hoffte, so aus einer Richtung zu kommen, die keine Beweise vernichtete. Colleen saß zusammengesackt auf dem Fahrersitz. Es war kein Öl; da war überall Blut. Dickflüssig und rot, arterielle Blutspritzer. Er hatte Angst, dass sie tot war, so tief war die Wunde in ihrem Hals. Doch dann
Weitere Kostenlose Bücher