Teufelspfad
lange bitten ließ, ihre Geschichte zu erzählen. Taylor hatte das Gefühl, dass Mrs Potts trotz ihres sozialen Berufs ein sehr einsamer Mensch war.
„Natürlich erinnere ich mich an die Copelands. Es gibt keinen in der Stadt, der das nicht tut. Es war so schrecklich traurig. Betty hatte eine Krankheit. Schon als Kind konnte man sehen, dass sie nicht ganz richtig im Kopf war. Alle wussten es, und alle versuchten wir, zu helfen. Aber einige Kinder werden einfach verrückt geboren, und es gibt nichts, was man dagegen tun kann. Ich kannte ihre Mama, Barbara, Gott hab sie selig. Sie hatte Angst um das Kind. Sie hat sie über alles geliebt, obwohl sie nie wusste, was die Kleine als Nächstes anstellen würde. Hat sie viel zu sehr geliebt. Ihre Fehler wollte sie nicht sehen. Aber Sie wissen, wie es ist, niemand weiß, was hinter verschlossen Türen vor sich geht. Ich denke, sie ließ sich vom Krebs zerfressen, damit sie nicht mit ansehen musste, was sie da auf die Welt gebracht hatte. Brustkrebs, Endstadium, und sie war noch so jung, kaum vierzig, als sie starb. Betty war damals siebzehn oder so. Es passierte direkt vor ihrem Schulabschluss. Das machte Betty Angst, glaube ich, weil ihre Mama der einzige Mensch war, zu dem sie gehen konnte, wenn es schwierig wurde.“
„Was war mit ihrem Vater?“, wollte Taylor wissen.
„Er war bei der Handelsmarine.“ Sie schnaubte. „Was eine hübsche Art ist zu sagen, dass niemand wirklich wusste, wer Bettys Vater war. Edward Biggs hat Barbara geheiratet, als Betty ungefähr drei war oder so, und ihr seinen Namen gegeben. Zu dem Zeitpunkt war er schon sehr eingespannt im Restaurant, und Betty war bereits ein ganz schöner Teufelsbraten. Er ist früh gestorben, und Barbara hat sich so gut sie konnte um das Kind gekümmert. Barb war eine gute Frau. Aber als sie starb, hatte Betty niemanden mehr. Also hat sie was mit Roger Copeland angefangen. Hat sich von ihm schwängern lassen, weil sie wusste, dass er sich um sie kümmern würde. Roger war ein Ehrenmann.
Kurz nach ihrer Hochzeit sind sie nebenan eingezogen. Damals war die Gegend hier wesentlich netter. Kleine süße Häuser für junge Familien. Mehr konnte er sich auch nicht leisten mit dem Baby und dem Barbecue-Restaurant, das nicht sonderlich gut lief.
Von außen betrachtet wirkte alles normal. Ich arbeite jetzt seit beinahe dreißig Jahren in dem Krankenhaus, und ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, dass ich die Wahrheit sage. Irgendetwas stimmte in dem Haus nicht. Ich habe die Jungen mit den seltsamsten Krankheiten zu uns kommen sehen. Und Betty, zum Teufel, Betty war eine Expertin. Sie hätte Ärztin sein können und wusste viel mehr über diese fremden Krankheiten als ich. Sie hat praktisch ihr ganzes Leben damit verbracht, sich durch den dicken Wälzer Gray’s Anatomy zu lesen. Sie saß mit einem Glas kaltem Tee auf der Veranda und las, als wenn ihr Leben davon abhinge.
Roger war die ganze Zeit über weg, und die Jungen … die armen Jungen. Wir taten, was wir konnten, versuchten, zu helfen, uns nachbarschaftlich zu engagieren. Wir haben ihnen Essen vorbeigebracht und angeboten, die Wäsche zu machen. Aber Betty ließ uns nie zu nahe heran. Sie schlug die Kinder, behandelte sie zu Hause wie Tiere, doch außerhalb des Hauses spielte sie die hingebungsvolle Mutter. Sie waren total eingeschüchtert von ihr, einschließlich Roger. Ich denke, deshalb war er so erpicht darauf, so wenig Zeit wie möglich zu Hause zu verbringen.
Wenn die Jungen krank im Krankenhaus lagen, war sie den ganzen Tag an ihrer Seite und schalt uns, als wären wir Idioten. Sie bestand darauf, ihnen selber die Medikamente zu geben und solche Sachen. In dem Winter, in dem meine Mutter starb, wurde der älteste Sohn sehr krank. Ich war nicht hier, ich war bei meiner Mom im Hospiz. Als ich zurückkam, war alles anders. Roger war tot, Edward war tot, Betty war im Gefängnis, der arme Errol war in der Klapse, und Ewan war ganz allein zurückgeblieben und versuchte, irgendwie über die Runden zu kommen. Dann haben sie ihn in das Heim gesteckt, und er ist zusammengebrochen.
Diese Schlampe, die sich von Roger hat schwängern lassen, hätte die Jungen zu sich nehmen sollen, doch sie ist davonstolziert und hat Anderson geheiratet, damit sie und ihr kleiner Bastard gut versorgt waren. Ich habe sie dafür immer ein wenig gehasst, obwohl ich weiß, dass das eine Sünde ist. Aber wenn sie den Mann wirklich geliebt hat, hätte sie sich um seine Jungen kümmern müssen.
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