Teufelstod: Band 2 (German Edition)
Ihr offizieller, von ihren Eltern und Gott anerkannter und vor allem realer, in dieser Dimension existenter Freund.
Möglichst unauffällig drehte sie den Kopf zur Seite und wurde sogleich von grünen Augen getroffen, die sie unter hochgezogenen Augenbrauen hervor ansahen. Damian zog einen Mundwinkel hoch und schenkte ihr ein nicht besonders gelungenes Lächeln, das sie anscheinend aufmuntern sollte. Ob sie sich wohl jemals an diesen Anblick gewöhnen würde? Ihren Schutzengel, der mit ihr am Esstisch saß und Lebkuchen vertilgte?
Emily wandte sich wieder ab und begegnete dem prüfenden Blick ihrer Mutter, der viel zu tief in sie zu sehen vermochte. Mary hatte den düsteren Fremden, der so plötzlich in ihrem Leben erschienen war, auf ihre berühmt herzliche Art aufgenommen, ein Hauch von Misstrauen blieb dennoch. Völlig begründet natürlich.
Wie könnte ein acht Tage alter Mensch kein Misstrauen erregen? Ein Mensch, dessen Augen mit schaurig düsterer Dunkelheit eine Gänsehaut hervorrufen konnten und dessen schwarzes Haar – bei einem offiziellen Alter von einundzwanzig Jahren – von grauen Strähnen durchzogen war? Ein junger Mann, der direkt aus der Hölle kam und jetzt an seinem Tee nippte. Völlig normal.
Dies sollte auch ihr Lächeln ausdrücken, doch ihre Mutter kannte sie zu gut. Ihr Blick wanderte zu Damian und wieder zurück zu ihr, auf eine Weise, die nichts Gutes bedeuten konnte. Ein Blick, den Emily mit einer in siebzehn Jahren perfektionierten Unschuldsmiene erwiderte.
Ihre Mutter wäre von der Wahrheit wohl wenig begeistert gewesen, und so war Damian zum Studium-Hinschmeißer erklärt worden, an den Emily ihr Herz verloren hatte. Es könnte alles so einfach sein – die Geschichte hatte ihr Happy End gefunden, doch leider war dies noch nicht ganz zu Emily durchgedrungen.
Gedankenversunken rührte sie in ihrem Tee und durchbrach damit die Stille. Plötzlich klingelte es an der Tür, und die schweigsame Versammlung am Esstisch fuhr zusammen, als hätte ein Blitz eingeschlagen. Die angespannten Mienen verwandelten sich in diesem Bruchteil der Sekunde in Grimassen der Angst, denn sie alle wussten, dass Großtante Sue mit ihren Enkelkindern vor der Tür stand und es kein Entkommen gab.
Ob es wohl Zufall war, dass ihre Mutter vor einer Stunde die Hintertür abgeschlossen und den Schlüssel hoch oben auf einem Küchenregal versteckt hatte? Wollte sie tatsächlich den Fluchtweg versperren? Wie kam sie auf solche Ideen? Wo Emily und ihr Vater bloß ein einziges Mal auf diesem Weg verschwunden waren, um ein Dessert zum nachmittäglichen Kaffee zu holen. Ein Ausflug, der allerdings ganze drei Stunden gedauert hatte. Die Suche nach einem Geschäft, das geöffnet hatte, war zu einer lustigen Autofahrt geworden – weshalb diesmal vermutlich auch die Schlüssel des Fluchtfahrzeugs konfisziert worden waren.
Schweigend erhoben sie sich nacheinander von ihren Stühlen und schlenderten in den Vorraum, der kaum groß genug war, um ihnen allen Platz zu bieten.
Ihre Mutter legte die Hand auf die Türklinke, und Emily meinte zu sehen, dass sie doch tatsächlich noch einmal kurz tief einatmete, ehe sie die sichere Barriere zum Unheil öffnete.
»Tante Susi!«, rief sie dann mit ungewohnt schriller Stimme aus. »Wie schön dich zu sehen! Bitte. Kommt herein. Hallo, Kinder.«
Umgeben von einer Wolke eisiger Kälte trat die vornehme Dame ein, die selbst Emilys Mutter gerade einmal bis zum Kinn reichte. Der Saum des beigefarbenen Mantels war dunkel vom Matsch der Einfahrt, und auf die Fellhaube hatten sich ein paar Schneeflöckchen verirrt. Über einen dunklen Fransenschal sahen sich die von Faltenkränzen umrandeten Augen um, wobei sich die Anwesenden bemühten, diesem Blick auszuweichen. Augenkontakt konnte bei dieser Frau schnell gefährlich werden. Niemand wollte ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Vorerst hatten sie jedoch alle die erste Runde überstanden, denn in diesem Augenblick stürmten die achtjährigen Drillinge herein und wurden sogleich ermahnt, keinen Radau zu veranstalten.
»Ach, es sind doch Kinder«, sagte Emilys Mutter, die der kleinen Agnes über den Kopf strich. »Kinder sind nie zu laut.« Sie hatte die Worte kaum ausgesprochen, da stand ihr die Erkenntnis der eigenen Unachtsamkeit ins Gesicht geschrieben.
»Ja, ich weiß, liebste Marilyn«, kam auch sogleich Tante Sues Antwort. Nur sie vermochte es, mit Erwachsenen wie mit ungehörigen Bengeln zu sprechen. »Dein unerfüllter Wunsch
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