Teufelswasser
Schauberg zu ihrem Hotel.
Das gediegene, herrschaftliche Haus verfügte über eine gläserne Drehtür, die alle Hast in die gewünschte Ruhe und Behaglichkeit zu wenden schien. Innen erwartete den Gast eine großzügige Lounge mit Sitzgruppen aus mächtigen Sesseln, die eine frühlingsgrüne Samtbespannung aufwiesen. Kronleuchter hingen von der Decke. Im rückwärtigen Teil wurde die Lounge von einer dezent beleuchteten Bar abgeschlossen. Diese Bar war freilich auf alkoholfreie Säfte spezialisiert.
Kaum waren sie eingetreten, wies ein jugendlicher Page, zu dessen goldbetresster blauer Livree dünne blütenweiße Stoffhandschuhe gehörten, Frau Schauberg darauf hin, dass der Portier an der Rezeption eine Nachricht für sie habe.
Herr Eckhardt, der keineswegs schmächtige Portier, der tagsüber Dienst hatte und unter anderem auch das Wiener «Hotel Sacher» gut kannte, unterrichtete sie davon, dass vor gut einer Stunde – «genau um 10 Uhr 58», las er von einem Notizblock ab – ein jüngerer Mann nach ihr gefragt habe. Er habe sich als Anton Müller vorgestellt und sei ziemlich erkältet gewesen.
«Das ist der Neffe des Mesners Müller», erklärte Gabriela.
«Ist er mit Ihnen bekannt?», erkundigte sich Philipp.
«Nur ganz flüchtig.» – Gabriela Schauberg forschte beim Portier nach: «Hat Herr Müller einen Grund genannt, warum er mich sprechen wollte?»
«Das nicht. Er hat lediglich angemerkt, er werde sich mit Ihnen schon in Verbindung zu setzen wissen», antwortete Herr Eckhardt zurückhaltend.
«Das klingt ziemlich ernst», sinnierte Gabriela Schauberg.
Philipp Laubmann verwunderte das jedoch nicht. «Bei zwei ungeklärten Todesfällen in der Familie.»
«Aber was will er von mir? Ich kenne ihn wirklich kaum.»
XI
DAS STATTLICHE NICHTSTAATLICHE THERMALBAD in Bad Kissingen verfügte über eine Innen- und eine Außenanlage, die durch eine Glasfront voneinander getrennt waren. Alle Bereiche der in den Werbebroschüren genannten «Badelandschaft» waren an diesem Sonntagnachmittag gut besucht: das Planschbecken für Kinder, das 50-Meter-Becken für Sportschwimmer, das kleeblattförmige Areal mit salzhaltigem, teils sprudelndem Wasser, von dem ein kleiner Kanal in die Außenanlage führte, sowie das «Erlebnisbad» mit Wellengang.
Angrenzend an die Wasserbecken fanden die Gäste Ruhezonen mit Liegestühlen oder Massage- und Gymnastikräume vor. Die Becken selbst waren teilweise von steinernen, angewärmten Bänken gesäumt. Darüber hinweg ragten die Zweige einiger Palmen, die in runde Holzkübel gepflanzt waren. Die Pflanzen gediehen in dem künstlichen Tropenklima offensichtlich gut.
Auf einer dieser Bänke, am Rande des «Erlebnisbads», hatten sich drei reizvolle Frauen in Badekleidung niedergelassen, um sich etwas auszuruhen: Irene und Rose Laubmann sowie ihre Begleiterin Elisabeth Werner. Sie hatten sich am gestrigen Samstagmittag in einem ansehnlichen Hotel Bad Kissingens eingemietet und während der folgenden 24 Stunden ihr «Wellness-Wochenende» schon recht abwechslungsreich gestaltet – hatten die Sauna besucht, sich danach eine Massage gegönnt, in einem hoteleigenen Schönheitssalon ihre Haut pflegen lassen und bei einer Trinkkur auch ihre Verdauungsorgane. Am Samstagabend und am Sonntagmittag hatten sie in einem feinen Restaurant stilvoll gespeist. Und mit dem Besuch der katholischen Messfeier am Sonntagvormittag war nicht zuletzt etwas für das Seelenheil getan worden.
Nur Philipp Laubmann hatten sie nirgends angetroffen. Er war wie verschollen. Mehrfach hatten sie in seiner Pension angerufen. «Außer Haus», hieß es dort; wohin Herr Dr. Laubmann gegangen oder gefahren sei, das könne man nicht sagen. Sein Handy hatte der Moraltheologe anscheinend wieder einmal zu Hause in Bamberg gelassen.
Elisabeth war enttäuscht, dass sie Philipp nicht treffen konnte; Irene war enttäuscht, dass der Überraschungsbesuch, den sie sich so schön ausgemalt hatte, nicht klappte; und Rose war enttäuscht, weil sie nicht prüfen konnte, ob sie ihr Geld für die Kur Philipps gut angelegt hatte und ob vielleicht schon die ersten Erfolge bei seinen Bemühungen um das Abnehmen zu erkennen waren. Schließlich hatte er die Woche über Zeit gehabt.
Doch trotz dieser Enttäuschungen ließen sich die drei das Vergnügen nicht verderben. Die schlanke, attraktive Elisabeth, am ganzen Körper nahtlos gebräunt, hatte sich einen knapp sitzenden rotgrünen Bikini aus Neuseeland mitgebracht. Am oberen Saum des
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