Teufelswasser
freigaben, aufpassen, dem Herrn Prälaten nicht auf die Flossen zu treten.
Rose Laubmann machte sogleich Dr. Elisabeth Werner aus Neuseeland und Albert Glöcklein aus Bamberg miteinander bekannt und betonte, wie viel Gutes der «Herr Prälat» für die Kirche tue und wie hervorragend – «wirklich hervorragend» – er mit ihrem Philipp zusammenarbeite!
«Wir wollen mal nicht übertreiben», korrigierte der solchermaßen gepriesene Kirchenmann.
Rose bestand jedoch darauf. «Wenn mein Fipps von Ihnen spricht, ist er immer ganz aufgeregt!»
«Er regt auch mich manchmal ungebührlich auf», murmelte der Herr Prälat.
«Fipps?» Elisabeths Stimme hatte des Vokals wegen naturgemäß eine höhere Tonlage angenommen. «Ist das etwa Philipps Spitzname?»
Irene rollte wiederum die Augen, weil Rose einfach alles ausplaudern musste.
«Mein verstorbener Mann Friedrich und ich haben Philipp in seinen Kindertagen so genannt», erzählte Rose Laubmann, «in Anklang an die Geschichte von Wilhelm Busch über ‹Fipps, den Affen›.»
«Eine gewisse Übereinstimmung lässt sich nicht verleugnen», murmelte erneut der Herr Prälat. Doch die Wellen und die Leute im Becken waren ziemlich laut.
Irene Laubmann dirigierte die kleine Gruppe weiter zu den Liegestühlen. Für Glöcklein gab es kein Entrinnen, was ihm einerseits sichtlich unangenehm war; andererseits fühlte er sich durch die Gesellschaft der Damen geschmeichelt.
«Mein Sohn», berichtete Philipps Mutter beiläufig, «hat Frau Dr. Werner über … wie heißen diese Erscheinungen doch gleich? … Emils kennengelernt».
«Über wen?», fragte der Prälat erstaunt.
«Meine Tante meint E-Mails», erklärte Irene.
Und Elisabeth fügte Richtung Glöcklein hinzu: «Philipp hat mir darin auch von Ihnen geschrieben.»
«Nach Neuseeland? So weit?» Der bischöfliche Vikar war verunsichert. «Und was treibt Sie dorthin?»
Elisabeth setzte ihm auseinander, dass sie als Ethnologin die Kultur der Maori erforscht habe und jetzt eine Stelle an der Universität Erlangen-Nürnberg antrete.
«Mein Interesse bezüglich Neuseelands gilt höchstens der christlichen Missionsgeschichte», antwortete Prälat Albert Glöcklein ausgesprochen trocken, denn er war noch gar nicht im Wasser gewesen.
Sie hatten gemeinschaftlich die Liegestühle erreicht. Die Damen legten ihre Badetücher beiseite und streckten sich sofort auf den Liegestühlen aus. Glöcklein hingegen, der im galanten Umgang mit Frauen ungeübt war, traute sich das nicht und stand untätig, ja sich ein bisschen genierend, herum.
«Darf ich fragen, was Sie in Bad Kissingen machen? Sind Sie als Kurgast hier?» Irene Laubmann war neugierig.
«Mitnichten. Ich bin katholischer Kurseelsorger in Stellvertretung. Mein hiesiger Amtskollege ist leider erkrankt und fällt für einige Zeit aus. Deshalb hat mich der hochwürdigste Herr Erzbischof auf Ersuchen seines Amtsbruders aus Würzburg gebeten, die Vakanz zu füllen.»
‹Was Ihnen bestimmt gut gelingt›, dachte Irene angesichts der Leibesfülle dieses Mannes. Doch kaum dass dieser Gedanke zu Ende gebracht war, tat ihr der Prälat bereits leid. Was hatte einer wie er schon im Leben, um mit der Einsamkeit fertigzuwerden; denn bloß auf Gott zu bauen, das wusste sie aus eigener bitterer Erfahrung, war ein schwieriges Unterfangen.
«Ich bin sozusagen an die Diözese Würzburg überstellt worden», sprach er weiter. «Der Priestermangel macht sich überall bemerkbar.»
«Dann sind Sie vielleicht Philipp schon begegnet», sagte Rose Laubmann erwartungsvoll. Er sei auch in Bad Kissingen, einer Diätkur wegen, aber sie könnten ihn nirgendwo finden.
Doch Glöcklein verneinte, ja er hatte bisher überhaupt nichts vom Aufenthalt des Moraltheologen in Kissingen gewusst. Ihm kam freilich ein Verdacht. «Vorgestern hat sich ein merkwürdiger Todesfall in einem der Moorbäder ereignet. Ich hoffe, Dr. Laubmann befindet sich nicht wieder auf kriminalistischen Abwegen.»
«Das sähe ihm ähnlich!», tönte es von Seiten Irenes und Elisabeths unisono, und sie lächelten einander verständnisinnig zu.
XII
GABRIELA SCHAUBERG UND DR. PHILIPP LAUBMANN waren noch am Samstag in Bad Kissingen losgefahren und spätabends bei der Bamberger Niederlassung des Säkularinstituts Christen in der Welt angekommen. Die anwesenden Frauen des Instituts waren ob der Nachricht von Reinhold Müllers Tod ganz durcheinander gewesen, denn sie alle hatten ihn persönlich gekannt. Sie konnten es nach dem Schock
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