Teufelswasser
unterhalten, auch wenn die Einkünfte bei weitem nicht ausreichen.» Gabriela Schauberg wirkte erneut besorgt. «An den Teichen hat das Säkularinstitut übrigens einen Fischanteil. Darauf greifen wir regelmäßig in der Fastenzeit zurück.»
«Ich kann mir gut vorstellen», meinte Philipp Laubmann, «dass die diversen Projektmanager dieses Fleckchen Erde für ihre Investitionen als besonders lukrativ einschätzen. Was für ein blendendes Geschäft ließe sich da anbahnen, ein Geschäft mit der Gesundheit und mit der Krankheit; wobei sie beides so miteinander verquicken würden, dass sich ein jeder sträflich krank vorkommen muss, der nicht auf ihre Gesundheitsangebote eingeht.» Er war fast wieder mal zornig geworden.
Gabriela Schauberg stimmte Dr. Laubmann zu. «Ich glaube, Gesundheit ist ebenso wenig ein Ideal wie Krankheit eine Strafe. Ich gebe allerdings zu, dass in der Tradition des Christentums die Leiblichkeit häufig mit Triebhaftigkeit, also mit Schwäche gleichgesetzt wurde, worin etwa Friedrich Nietzsche eine Ablehnung der Gesundheit durch das Christentum sieht. Aber das bringt uns im Konkreten nicht weiter, denn letztlich wird man einem kranken Menschen doch nur gerecht, wenn man sich seiner erbarmt.»
«Keine leichte Aufgabe», gestand Laubmann ein.
«Krankheit und Leid erscheinen uns ja eher als etwas Sinnloses, je nach Schwere, nach Dauer, oder wenn sich die Unausweichlichkeit des Todes manifestiert, wenn uns ein Unglück schlagartig aus allem herausreißt. Günstigenfalls lassen uns eine Krankheit oder ein Leid innehalten, sofern wir nicht bloß nach dem Warum, sondern nach einem Wofür fragen, wofür das vielleicht gut sein mag. Aber aus uns selbst heraus werden wir höchstens nur einen relativen Sinn dahinter entdecken. Im Grunde besteht unsere einzige Perspektive darin, uns darauf zu verlassen, dass in Gott und in Jesus Christus bereits alle Fragen beantwortet sind.»
«Sofern wir es vermögen, uns darauf zu verlassen, uns also nicht nur verlassen fühlen.»
Aufwärts am Hang wurden sie einer knapp den Boden überragenden Steinbegrenzung ansichtig, zu der sie hin gingen: Aus einer Felsspalte quoll Wasser herauf, wurde von einem steinernen Becken aufgefangen und lief seitlich an einer Vertiefung zwischen den Steinen wieder aus demselben heraus. Außerhalb des Beckens versickerte es und durchfeuchtete stark den Waldboden, ja hatte ihn modrig werden lassen, ohne einen kanalisierten, irgendwie begrenzten Wasserlauf zu bilden.
«Das ist also die Teufelsloch-Quelle.» Gabriela Schauberg verharrte einen Moment schweigend. «Sie hat ihren Namen von einer Sage. – Ein Priester soll nämlich an diesem Ort den Anfechtungen des Teufels nicht widerstanden haben. Und deshalb ist er in der Quelle zu Tode gekommen. Mag schon sein, dass man hier irgendwann einen Priester oder einen religiösen Einsiedler tot aufgefunden hat. Die Geschichte mit dem Teufel aber ist bestimmt nur eine Ätiologie, ein Erklärungsversuch, weil niemand es besser wusste.»
Laubmann spekulierte: «Ich will ja nicht den Teufel an die Wand malen, aber eine fatale Übereinstimmung mit dem Mord an Margarete Müller und dem Mord an ihrem Zwillingsbruder sehe ich schon. Beide sind im Wasser getötet worden.»
«Sie werden doch nicht allen Ernstes behaupten wollen, jemand hätte sich diese Sage zum Vorbild genommen. Oder glauben Sie an böse Wassergeister?»
Noch ehe Laubmann zu einer Entgegnung ansetzen konnte, machte ihn Gabriela Schauberg auf eine schwere Holztür aufmerksam, die hinter der Quelle in den Felsen eingelassen und mit einem Riegel fest verschlossen war. Der Riegel trug ein ähnliches Vorhängeschloss wie der Opferstock in der Kapelle. Gabriela nahm einen Schlüssel aus der kleinen Seitentasche ihrer taubenblauen Kostümjacke, öffnete nach einigen Versuchen das Schloss und schob den Riegel zurück.
Dunkelheit und feuchte Luft schlugen ihnen entgegen. Tiefer drinnen waren Geräusche tropfenden Wassers zu hören. Gabriela Schauberg holte aus ihrer anderen Jackentasche eine flache Taschenlampe in der Größe eines Zigarettenetuis, knipste sie an und beleuchtete die Wände: grünlich-grauer Sandsteinfels, aus dem man diese Höhlung einst herausgeschürft hatte. Ein schmaler Durchgang geleitete beide zu einem etwas größeren Raum. An seiner Rückwand befand sich das Relief einer Kreuzigungsgruppe, die freilich nur noch schwer erkennbar war; die Verwitterung war arg fortgeschritten, alles war durchfeuchtet. An einer Stelle
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