Teufelswasser
Kunststoffumschlag mit grün schimmernder Farbgebung, ein anderer, eierschalenfarben, erinnerte eher an die Speisekarte eines vornehmen Restaurants, und ein weiterer, in Schwarz, Blau und Gold gehalten, kam dem Stil der Kurbad-Werbung in Bad Kissingen recht nahe.
Jeder Prospekt war mit Namen, Foto und Kompetenznachweis des Projektmanagers respektive der Projektmanagerin versehen und enthielt Pläne, Skizzen und Fotomontagen sowie Gewinnversprechen für mögliche Investoren, wodurch klar wurde, dass die jeweilige Projektleitung auf diese Weise Geldgeber von außerhalb anwerben wollte.
«Wenn ich das richtig verstanden habe, wurde seitens des Säkularinstituts noch keinerlei Entscheidung gefällt», bemerkte Laubmann. «Warum, frage ich mich, existieren dann bereits alle diese Prospekte der Unternehmen, so als seien die Projekte schon viel weiter gediehen?»
«Die Frage haben wir den Unternehmern auch gestellt», pflichtete Gertrud Steinhag ihm bei, «und es hieß überein stimmend, das sei notwendig, um potentiellen Investoren oder den Banken eine handfeste Planung vorlegen zu können.»
Sie nahm die Prospekte wieder an sich, um sie ihrem Gast im Einzelnen zu erläutern. «Das erste Angebot kam direkt von unserm Hausarzt, der schon lang über unsere finanziellen Sorgen im Bilde war. Er hat uns ganz am Anfang überhaupt erst auf den Gedanken gebracht, einen Verkauf in Erwägung zu ziehen.» Als ihnen der Arzt schließlich sein ausformuliertes Angebot unterbreitet hatte, habe sich das offensichtlich in Investorenkreisen sehr schnell herumgesprochen, denn bald darauf seien zwei weitere Angebote eingegangen.
«Das Projekt unseres Hausarztes, Dr. Anselm Walther, heißt ‹Projekt Bruderwald›. Er will hier in der Abgeschiedenheit ein an christlichen Werten orientiertes Sanatorium gründen. Das soll hydrotherapeutische Behandlungen umfassen, in die auch die sogenannte ‹Teufelsloch-Quelle› einbezogen werden soll, die zum Schlossbesitz gehört. Außerdem sieht er für die Hausgäste ein akademisches Angebot mit Referaten und Kursen vor. Wir Frauen des Säkularinstituts müssten freilich das Schloss verlassen und könnten eventuell in einen noch zu errichtenden Neubau am Rande des Parks ziehen, dürften diesen dann aber als Alterssitz behalten und uns in die Akademie-Arbeit mit einbringen.»
Der zweite Projektvorschlag, erklärte Gertrud Steinhag, stamme von Frau Elisabeth Hartlieb – Elli Hartlieb, wie sie sich nenne –, einer Mineralwasserproduzentin aus Oberbirnenbach im Steigerwald, die dort einen ansehnlichen Abfüllbetrieb ihr Eigen nenne. Sie sei jedoch ausschließlich am bereits erwähnten Quellgrund und den darunter vermuteten wasserführenden Schichten interessiert. Sie würde die ganze Immobilie aufkaufen, diverse Brunnenbohrungen vornehmen und eine Abfüllfabrik für Mineralwasser darauf bauen lassen. Dem Säkularinstitut biete sie an, dass es mit einem langfristigen Mietvertrag im Schloss bleiben könne.
Die Leiterin des Instituts blätterte ein drittes Mal in ihren Unterlagen. «Ein weiteres Projektangebot kommt von dem Frankfurter Bauunternehmer Friedolin Engel; und das ist die lukrativste Offerte. Für Bamberg – er plant außerdem in Bad Kissingen ein Hotelprojekt –, für Bamberg also stellt er sich ein Luxushotel in unserem Schloss vor, das laut seiner Beschreibung speziell auf Senioren hin ausgerichtet sein würde, denen zugleich die Ruhe des Bruderwalds und die Nähe zur Stadt zugutekämen. Dafür würde er dem Säkularinstitut in Frauenroth bei Bad Kissingen ein abgelegeneres großes Grundstück überschreiben, das sich derzeit in seinem Besitz befindet. Er würde uns dort auch, für das Institut kostenlos, eine neue Niederlassung bauen, die dann in den Besitz der Gemeinschaft übergehen soll.»
Immerhin wäre das an einem Ort, an dem schon einmal ein Kloster bestanden habe, nämlich das Zisterzienserinnenkloster Frauenroth. Das sei im Mittelalter von dem Minnesänger und Kreuzritter Otto von Botenlauben und seiner Gemahlin Beatrix von Courtenay gegründet worden.
Philipp Laubmann war erneut verblüfft, wie konkret und durchdacht diese Kaufangebote waren. Die Interessenten hatten sich tatsächlich Mühe gegeben und standen untereinander anscheinend in einem nicht unerheblichen Konkurrenzkampf um die Gunst der Frauen. «Bevorzugen Sie eines der Angebote?»
«Das Projekt unseres Hausarztes, Dr. Walther, scheint uns am vertrauenswürdigsten und inhaltlich am ehesten akzeptabel zu sein»,
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