Teufelswasser
Reinigungskraft, beschwert habe, weil sie die Wohnung Müllers nicht hatte reinigen dürfen.
«Wir konservieren Spuren, sie beseitigt sie», sagte der Kommissar lakonisch.
Er und Laubmann begaben sich zunächst ins Wohnzimmer des getöteten Mesners. Sie erhofften sich aufgrund der veränderten Sachlage neue Indizien. Bevor sich Siegbert Herold einer Religionsstunde in der Hauptschule wegen verabschieden musste, fand er die Muße, ihnen von der Tür aus ein wenig zuzusehen.
Das Zimmer war ohne besonderen Aufwand eingerichtet. Die Möbel waren veraltet und dem Stil nach nicht aufeinander abgestimmt. Auf einem Bücherbord hatte Müller ein paar religiös angehauchte Romane und etwas Fachliteratur aneinandergereiht.
Lürmann besah sich einen der Rückentitel genauer: « KÜSTER·MESNER·SAKRISTAN – Besteht da ein Unterschied?»
«Das Buch wurde von Hermann Reifenberg und Adalbert Müller verfasst, und die drei Begriffe bedeuten dasselbe», erklärte Laubmann. «‹Küster› leitet sich vom lateinischen Wort ‹custos› – der ‹Wächter› ab, ‹Mesner› von ‹mansionarius›, womit der neben der Kirche wohnende ‹Hüter des Hauses› gemeint ist, und der ‹Sakristan› kümmert sich um das ‹Geheiligte›.»
«Klingt auswendig gelernt.»
«War's auch mal; für eine Prüfung in Liturgie.»
Laubmann musterte weiter die Buchrücken, während sich Lürmann anderen Einrichtungsgegenständen zuwandte. Plötzlich rief Philipp ihn herbei und hielt einen dünnen Band hoch, den er zwischen dickleibigen Büchern erspäht hatte: «Ein Bestimmungsbüchlein für Edelsteine, und im Inhaltsverzeichnis sind die Rubine, Saphire und Smaragde angestrichen. Zudem hat Reinhold Müller seinen Namen
ordnungsliebend vorne hineingeschrieben.»
«Er hat sich kundig gemacht.» Für Ernst Lürmann fügten sich die Indizien zu einem Bild. «Aber das ist noch nicht alles. Neben der Kommode steht eine altmodische Reiseschreibmaschine. Ich wette, darauf hat er sein Verzeichnis der Juweliere getippt.»
«Und das heißt?»
«Das heißt, wir haben ihn überführt. Schade, dass er nicht mehr lebt. Gegen einen Toten gibt es kein Verfahren.»
Laubmann empfand dies als eine Ernüchterung. «Was, wenn Margarete Gewissensbisse hatte und ihn beschworen hat, die Steine zurückzubringen? Hätte Reinhold Müller dann nicht ein Motiv gehabt, sie zu töten?»
Monsignore Herold, den sie gar nicht mehr bemerkt hatten, rief von der Tür her erzürnt: «Aber das können Sie doch nicht wirklich annehmen, dass Herr Müller für den Tod seiner Schwester verantwortlich sein soll! Das ist eine Ungeheuerlichkeit!»
«Etwas von dem Unaussprechlichen, dem Ungeheuerlichen verbirgt sich in uns allen», entschuldigte Laubmann seinen Verdacht. «Eine moralische Binsenweisheit.»
«Trotzdem, Herr Dr. Laubmann …»
«Was haben wir denn da?», fuhr Lürmann dazwischen. Er entnahm dem Schrank des Mesners zwei offensichtlich mit Wasser angefüllte Flaschen; Mineralwasserflaschen aus Weißglas mit Drehverschlüssen. Auf den ersten Blick war daran nichts Auffälliges, aber bei genauerem Hinsehen war zu erkennen, dass die ursprünglichen Etiketten abgelöst und durch weiße Aufkleber ersetzt worden waren, auf die mit einem Tintenstift etwas geschrieben war. Leider in deutscher Schrift. Lürmann konnte sie auf Anhieb nicht entziffern.
Auch Laubmann brauchte einen Moment: «Das heißt … ‹Teufelsloch-Quelle›.»
«Das Etikett kommt mir bekannt vor», überlegte der Kriminalkommissar. »So eine Flasche habe ich im Antiquariat des Herrn Müller gesehen.»
Pfarrer Herold, der voller Wissbegier hinzugetreten war, hatte sofort eine Erklärung dafür. «War Ihnen das nicht bekannt, dass Frau Zähringsdorf, eine der Damen des Säkularinstituts, schon seit Jahren das Wasser aus dem Teufelsloch als Heilwasser an Freunde des Hauses abgibt? Und die beiden Seniorinnen, Frau Förnberg und Frau Mayer, beschriften die Flaschen. – Ob eine Bezahlung des Wassers verlangt wird, kann ich allerdings nicht sagen.»
«Sie meinen, Ihr Mesner, Herr Müller, hatte die Flaschen aus dem Institut?», fragte Laubmann nach.
«Natürlich.»
«Wenn ein christliches Institut mit dem Teufel Werbung macht, dann ist das entweder sehr geschickt oder äußerst naiv.» Philipp Laubmann schaute Ernst Lürmann an: «Und wir haben noch eine handfeste Spur mehr, die uns bisher entgangen ist.»
Lürmann zuckte mit den Achseln. «Ich habe eher das Gefühl, unsere Spuren werden zusehends
Weitere Kostenlose Bücher