Teufelswasser
besonders angesichts der Morde?»
Kommissar Lürmann unterband die aufkeimende theologische Diskussion und bestand darauf, den Schrank auf dem Dachboden zu untersuchen. Den Beutel, das Samtsäckchen und die Edelsteine hatte er bereits weggesteckt.
Pfarrer Herold fügte sich dem amtlichen Ansinnen. Er holte einen Schlüssel aus dem Sekretariat, führte sie zum Treppenhaus des Klostertrakts und anschließend über zwei Stockwerke sowie eine schwindelerregende Bodenstiege hin auf unters Gebälk. Franz Schaffer schlich ihnen, auf Abstand bedacht, argwöhnisch nach und lauschte, was geschehen würde.
Der Dachboden des klösterlichen Pfarrhauses wurde selten von jemandem aufgesucht. Staubschichten und Spinnweben gediehen prächtig. Durch die ungeputzten Dachfenster drang kaum Tageslicht herein. Und die wahrlich «unscheinbare» Lampe verbreitete noch weniger Helligkeit als diejenige im Abstellraum hinter dem Hochaltar.
Mit Laken abgedeckte Gemälde, eine vernachlässigte Monstranz und eine beschädigte Marienfigur aus Gips waren zu erkennen. Am unteren Ende der rechten Dachschräge sahen sie das Gerippe einer Taube, die sich irgendwann in ihrer Todesschwäche durch einen Spalt im Dach hierher verkrochen haben mochte.
«Hatte Ihr Mesner Reinhold Müller ungehindert Zugang zum Dachboden?», erkundigte sich Ernst Lürmann bei Siegbert Herold.
«Er war wesentlich länger in der Pfarrei tätig als ich oder sonst wer. Wenn einer überall Zugang hatte und sich überall auskannte, dann er. Ich hatte keine Veranlassung, ihm zu misstrauen. Und falls die Steine von hier oben stammen, hätte sie keiner vermisst.»
Der ausladende Barockschrank, auf den Pfarrer Herold ihre Aufmerksamkeit lenkte, hing voller liturgischer Gewänder, die einen muffigen Geruch verströmten. Laubmann übernahm die Durchsuchung, weil Herold seinen schwarzen Anzug bereits beim Öffnen des Schrankes beschmutzt hatte. Lürmann ließ Laubmann gewähren.
Dieser schob die priesterlichen Kleidungsstücke – etwas angewidert von der alten Staubschicht – hin und her. Die Gewänder in seinem Schrank zu Hause waren gepflegter. Er brauchte jedoch nicht lange, um eine historische Priesterstola zu entdecken, die ihre Vermutungen beziehungsweise Befürchtungen bestätigte. Die mit Gold- und Silberfäden eingestickten Ornamente auf dem zuoberst angenähten Brokat waren intakt. An den beiden Enden der Stola allerdings waren Metallfassungen in Kreuzform angestickt, aus denen jemand Pretiosen herausgelöst hatte. So wie es aussah, würden sich die aufgefundenen Edelsteine exakt einfügen lassen.
«An der Stola waren insgesamt zehn Steine befestigt», stellte Laubmann fest. «Sechs davon haben wir, vier wurden bereits veräußert. – Wenn ich meiner Phantasie mal etwas freien Lauf lasse, waren vielleicht, entsprechend der Kreuzform, oben und unten jeweils die blauen Saphire als Symbole für Himmel und Wasser befestigt, rechts und links die grünen Smaragde als Symbole für die fruchtbare Erde und in der Mitte die roten Rubine als Symbole für Gott, das Zentrum des Universums.»
«Ich meine einmal gelesen zu haben», konkretisierte Monsignore Herold die Spekulationen Philipp Laubmanns, «dass der Ornat der alttestamentlichen Hohenpriester mit Edelsteinen geschmückt war.»
Und Philipp ergänzte: «Nach jüdischen Texten wird dereinst die endzeitliche, himmlische Stadt Jerusalem sogar aus Edelsteinen erbaut sein.»
Lürmann unterband die theologische Debatte erneut, ließ sich die Stola aushändigen und versiegelte die Schranktür. Auch die Holztür hinter dem Hochaltar hatte er vor einer halben Stunde mit einem polizeilichen Siegel versehen. Außer der Spurensicherung hatte in nächster Zeit dort niemand etwas verloren.
«Hast du dich schon einmal mit Sphragistik befasst?» Laubmann gab sich, wie gewöhnlich, gebildet.
Doch Lürmann ließ sich nicht darauf ein und verhielt sich, als hätte er nichts gehört.
So war Laubmann als Sammler ausgefallener Begriffe gezwungen, seine Anfrage alleine zu beantworten, was er sowieso getan hätte, weil nicht mal der Monsignore das Fremdwort kannte. «‹Sphragistik› – die wissenschaftliche Siegelkunde.»
***
Auf dem Rückweg vom Dachboden wollte Kommissar Lürmann im Stockwerk darunter schließlich noch einen Blick in Reinhold Müllers Dachwohnung werfen. Das Siegel an der Wohnungstür, das der Erkennungsdienst hinterlassen hatte, entfernte er.
Pfarrer Herold bemerkte spitzzüngig, dass sich Frau Holzmann, die
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