Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition)
Arno bewegte sich nicht, war fest entschlossen, die Stellung zu halten und der Welt zu zeigen, wie lange ein Pulvermischer und Landsknecht kämpfen konnte.
«Möchtest du nicht damit warten?»
Ferdinand fragte, als er mit Lena zu Abend aß.
«Ich meine mit dem Unterricht», fügte er bei, weil Lena nicht antwortete.
«Nein, er ist alt genug», sagte sie bestimmt, «er hat nur den Dickschädel eines verwöhnten Prinzen.»
Die Feldherrenmiene undurchdringlich, brach Ferdinand ein Stück Brot und schnitt eine Scheibe Speck ab.
«Er ist noch ein Kind!»
«Was ist schon dabei, einen Buchstaben zu lernen?»
«Latein, Lesen und Schreiben, es gab nichts Öderes für mich. Ich habe Tintenfässchen zum Fenster hinausgeworfen, Dutzende von Federkielen zerstört, die Bücher von Pater Clemens versteckt und mir so manche Lektion erspart.»
«Arno ist kein Fürstensohn, Arno kann sich keine Bildungslücken leisten!»
Ferdinand schien diese Bemerkung zu überhören und wandte sich Arno zu:
«Krieger, ich mach dir einen Vorschlag: du kritzelst den Bogen voll, und ich zeige dir, wie man Knallfrösche macht. Einverstanden?»
Etwas benommen blickte Arno auf. Er hatte Hunger, seine Lage war misslich, sämtliche Fluchtwege waren abgeschnitten. Jetzt erhielt er dieses Angebot. Ob der Rede des Feldherrn zu trauen war?
Kurze Zeit dachte er darüber nach, dann, ohne Lena anzuschauen, griff er nach dem Federkiel, tauchte ihn in das Tintenfässchen und setzte sein erstes unförmiges «A» auf den Bogen. Das zweite folgte und das dritte, und allmählich bekam seine Hand einen anständigen Schwung, so dass sich das Resultat sehen ließ und er sich mit der Buchstabenschreiberei beinahe anfreunden konnte – beinahe, denn er kannte eben noch eine andere Beschäftigung, die tausendmal lustiger, tausendmal spannender war und deren Resultat sich darüber hinaus nicht nur sehen, sondern auch hören ließ.
Und wer ihn nicht verstehen konnte, hatte eben noch nie eine Tanne gesprengt.
Kapitel 5
Pater Clemens
Mai anno domini 1579
Zwei Monate später
Die Hitze trieb den Schweiß aus den Poren und quetschte Fleisch und Knochen aus wie eine eiserne Faust eine halbverdorrte Birne. Es war Frühling, und überall, wohin er blickte, schienen Gottes Geschöpfe ihre Säfte zu vergeuden, allen voran die Kirschbäume. Sie präsentierten sich dem Betrachter als die unverschämtesten von Gottes Gewächsen, denn sie hielten offensichtlich gar nichts von Demut und Bescheidenheit und stellten sich in ihrem blendend weißen Prachtkleid eitler als die verwöhntesten und verschwendungssüchtigsten adligen Luftikusse zur Schau.
Der Abt blieb stehen, kniff die Augen vor diesem üppigen Baum-und Wiesenschmuck zu und rieb sich nachdenklich den Nacken.
Was für eine verrückte Landschaft!
Was für eine Zeit, da das Leben geradezu darauf loswütete, sich alles in jugendlicher Pracht reckte und er, der sich im Spätherbst des Lebens herumschleppte, melancholisch und anfällig gegen Krankheiten wurde wie sonst nie!
Was gab es da noch zu melden?
Er spürte den Seufzer, der in der Brust klemmte, würgte dagegen an und riss trotzig die Augen auf.
Genießen würde er jetzt, einfach nur genießen!
Jammern konnte er an anderen Tagen, wenn es regnete und die Wiesen zu Sümpfen wurden! Und wenn ihn wirklich Schnupfen oder Husten plagte!
Er rückte den Leinensack mit den Vorräten auf der Schulter zurecht und streckte die Nase dem Wind entgegen, der von der Ebene her wehte und die Klänge einer Melodie zu ihm zu tragen schien.
Er horchte und war sich nicht sicher, ob er sich diese Klänge nur einbildete.
Da hörte er sie deutlicher, und er stellte fest, dass es eine Stimme war, die sang, die helle Stimme einer fröhlichen Frau.
In seiner Vorstellung entstand das Bild einer jungen, ranken Gestalt, und unmittelbar musste er an den Stein denken. Der Stein, der seine Knochen wieder leicht machen und die Haut straffen würde, der Stein, der seinen Bauch zum Schrumpfen brächte wie eine angestochene Schweinsblase und ihm neuen Haarwuchs schenkte, so dass er wieder ganz passabel daherkäme, mit jugendlichem Glanz, etwa so wie ein frisch geschlüpfter Schmetterling, der vor diese junge Frau hüpfen und ihr einen Kuss geben durfte.
Oder auch mehr.
Er wölbte die Unterlippe, klopfte sich mit der Linken auf die Brust und gelobte sich, nicht schwach zu werden und weiterzuforschen, trotz allen Mühseligkeiten, noch ging er aufrecht, noch pfiff er nicht aus dem
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