Teuflisch erwacht
mal. Klinge ich, als würde ich Sie ein zweites Mal bitten?«, bellte er. Wann kapierten die Menschen, dass sie ihm besser nicht widersprachen? Er verlangte absolute Unterwerfung und mittlerweile sollte sich das auf der ganzen Welt herumgesprochen haben. Es war doch ein offenes Geheimnis.
Das Surren der Anlage verklang. Jonathan trat nervös von einem Fuß auf den anderen und spannte sich innerlich an. In den nahe liegenden Sträuchern zirpten Grillen. Das Geräusch machte ihn noch zappeliger. Er rieb sich die Schläfen und versuchte, den nervigen Klang zu ignorieren. Endlich glitt das Tor auf. Er atmete tief durch und lief die Auffahrt hinauf.
Antonio öffnete die Tür. Er war seit seinem letzten Besuch gealtert. Kahle Stellen zierten das einst dichte, dunkle Haar und unter seinem Bademantel zeichnete sich deutlich sein Bauch ab. Müde blinzelte er ihm entgegen, doch seine Lippen umspielte ein Lächeln. »Jonathan, alter Freund. Was verschafft mir die Ehre zu solch später Stunde?« Er unterdrückte ein Gähnen, was den Satz in die Länge zog.
»Wir müssen uns unterhalten, aber wir sollten es im Haus tun. Darf ich?« Jonathan deutete in den Hausflur.
Das Lächeln auf Antonios Lippen erstarb. »Mi casa es su casa«, murmelte er und trat zur Seite.
Jonathan schob sich an ihm vorbei. Er spürte Antonios Blick im Nacken und wirbelte herum, für den Fall, dass er einen Angriff wagen sollte.
»Was ist passiert? Wenn du um diese Zeit hier hereinschneist, muss es einen triftigen Grund geben. Warum so nervös?«
Jonathan fiel auf, wie klein der alte Freund war. Er hatte es nie so intensiv wahrgenommen, und der Schlafanzug, den er trug, untermalte es noch. Antonios Kinder mussten ihre Größe von Gia geerbt haben.
»Antonio, Kira ist tot«, sagte er geradeaus. Wozu um den heißen Brei herumreden?
Antonio erstarrte. Das sonnengebräunte Gesicht wurde grau. Er fiel in sich zusammen. »Kira ist tot?«, flüsterte er.
Jonathan nickte. »Bitte lass uns im Salon weitersprechen.« Er versuchte, Antonios Reaktion einzuschätzen. Wusste er bereits von Kiras Tod? Es schien nicht so. Dieser erbärmliche Gesichtsausdruck wirkte ehrlich schockiert. »Thea und Josh warten draußen. Wir wollten euch nicht gleich überfallen.«
Antonio wandte sich ab, ging zu der antiken Kommode und nahm den Hörer der Sprechanlage ab. »Kommt rein«, flüsterte er mit erstickter Stimme und drückte auf einen Knopf.
Jonathan beobachtete ihn einen Atemzug lang und öffnete die Haustür. Er nickte, um Thea und Josh ein Zeichen zu geben, dass alles in Ordnung war. Sie tauschten einen Blick und rauschten anmutig in den Flur.
»Antonio. Es tut mir so leid.« Thea schloss Antonio in die Arme, doch die Geste fiel steif aus. Heimlich schenkte sie Jonathan einen vielsagenden Blick.
Antonio schüttelte sie ab. »Geht in die Bibliothek. Ich werde Gia und Luca wecken.«
Jonathan kannte den Weg und ging voran, während Antonio die Treppe hinaufstieg. Es hatte sich nicht viel verändert in der alten Villa. Die breite Flügeltür führte in die Bibliothek, die Antonio als Salon nutzte. Thea und Josh folgten ihm über den langen Flur und nahmen auf dem dunkelbraunen Ledersofa Platz.
»Wie hat er es aufgenommen?«, flüsterte Thea.
»Wie ein elender Mensch«, antwortete Jonathan und trat an den Servierwagen, auf dem Getränke bereitstanden. Er füllte ein paar Gläser mit Whiskey.
»Seine Gedanken waren sauber«, fiel Josh ein, dessen gestohlene Gabe ihm Einblicke in die Köpfe anderer erlaubte.
Thea nickte erleichtert.
Gia stürmte herein. Ihre Eleganz hatte sie im Bett vergessen. Sie trug einen grünen Hausanzug und das dunkle Haar stand zerzaust vom Kopf ab. Sie vergeudete keine Zeit mit Höflichkeiten. »Was ist geschehen?«, fragte sie aufgebracht. »Antonio sagte, es ginge um Kira.«
Gia war schön. Schöner als seine Thea. Trotzdem empfand Jonathan sie augenblicklich als abgrundtief hässlich, denn Sorge, Angst und Schwäche standen einer Magierin nicht. »Setz dich erst mal«, sagte er und reichte ihr einen Whiskey.
»Es geht um meine Tochter, Jonathan.« Widerwillig nahm sie das Glas und setzte sich auf die Armlehne des Sofas.
Jonathan antwortete nicht, sondern blickte zur Tür, durch die Antonio seinen Sohn schob. Der Junge war groß geworden. »Guten Abend, Luca«, sagte er freundlich.
Luca schnaubte und senkte den Kopf.
Wo hatte er seinen Anstand gelassen? Hätten sich seine Söhne derart respektlos verhalten, er hätte sie schallend
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