Teuflisch erwacht
dafür, dass ihre dunkelblauen Kulleraugen glänzten. Cynthia war ein paar Jahre älter als Anna, aber im Mondschein wirkte sie kindlich. Er durfte sie keiner Gefahr aussetzen. »Cynthia«, begann er leise, »ihr müsst verschwinden.«
»Auf keinen Fall. Ein Empath allein gegen Magier?« Sie hüstelte, als wollte sie ein Lachen unterdrücken.
»So ist es nicht.«
»Ich weiß«, sagte sie zerknirscht und zwinkerte ihm gleichzeitig zu.
Er raufte sich die Haare, stieß einen Seufzer aus und schüttelte den Kopf. In welche Lage brachte er sie bloß? Vielleicht hätte er ein Hexentalent stehlen sollen, statt sie einzuweihen. Was wäre schon ein Toter gewesen, gegen das, was nun bevorstand? Er brachte nicht nur sie in Gefahr, sondern sie auch sein Vorhaben. Und das durfte unter keinen Umständen schieflaufen. Dunkelheit umkreiste sein Herz wie ein räudiger Geier und drohte, zuzuschlagen. »Nein. Du weißt gar nichts. Ihr werdet euch sofort auf den Nachhauseweg machen, andernfalls muss ich zu drastischen Mitteln greifen.« Er drohte ihr nicht gern, aber er musste sie sich irgendwie vom Hals schaffen.
»Was willst du tun? Uns verfluchen?«
Sebastian öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch es verschlug ihm die Sprache. Die bittere Wahrheit klopfte gegen seinen Verstand. Sie wusste es. Sie wusste, wer er war. Was hatte ihn verraten?
»In dem Moment, als du deinen Fuß über unsere Schwelle gesetzt hast, wussten wir, wer du bist. Normalerweise suchen uns die Talentierten auf, damit wir sie vor dir beschützen. Es war interessant, …«, sie zog das Wort in die Länge und lächelte, »zu sehen, mit welchem Anliegen du uns aufgesucht hast. Es unterschied sich nicht sonderlich von dem der Menschen.«
Es war interessant? Sie hätte sich vor Angst in die Hose machen sollen und sie fand es unterhaltsam? »Woher wusstet ihr …?«
»Wer du bist?« Cynthia gluckste, sprang vom Felsen und warf den Kopf in den Nacken. Der Mond schien ihr ins Gesicht. Sie drehte sich im Kreis, kam zum Stehen und grinste ihn an. »Deine Augenfarbe hat dich verraten«, flüsterte sie geheimnisvoll und begann zu lachen.
Wut flammte in Sebastians Magen auf. »Wenn ihr es wisst, solltet ihr euch erst recht fernhalten«, knurrte er. Er wollte ihr Angst einjagen. Sie war lebensmüde, wenn sie mitkommen wollte. Hatte sie den Verstand verloren? »Ihr habt mit dieser Sache nichts zu tun. Ich schaffe das allein und brauche euch nicht.«
»Klar und ich flieg zum Mond.« Cynthia deutete zum Himmel.
Ihre Leichtigkeit versetzte seinem Herzen einen Stich. Es schien ihm endlos lang her, dass er sorglos durchs Leben gegangen war. Er sehnte sich nach Unbeschwertheit. Trotzdem war sie unangebracht. Er trug bereits genug Schuld auf seiner Seele und jeder weitere Ballast würde sein Herz in Schutt und Asche legen. Ihr Leben konnte er sich nicht auch noch aufhalsen. »Ich will euch nicht dabeihaben«, zischte er und erhob sich. Er überragte sie um anderthalb Köpfe und bäumte sich weiter auf.
»Wenn du jetzt noch die Nüstern aufblähst und mit dem Fuß aufstampfst, glaub ich dir sogar.« Sie kniff ihm in die Wange, wandte sich ab und lief am Ufer entlang.
Wie konnte sie es wagen, einem wütenden Magier den Rücken zuzukehren? Unter normalen Umständen wäre das der reinste Selbstmord. Die Magie empörte sich grummelnd über seine Untätigkeit.
»Komm. Oder willst du da Wurzeln schlagen? Patrick besorgt eine Unterkunft für heute Nacht«, rief sie über die Schulter hinweg. Ihre Silhouette verschmolz bereits mit der Dunkelheit.
Sebastian atmete tief durch, versuchte, das brennende Verlangen, sie zu maßregeln, aus seinem Kopf zu fegen und blickte ihr nach. Cynthia gehörte nicht zu den Menschen, die sich einfach abspeisen ließen. Wenn sie ihm ausgerechnet morgen in die Quere kämen, würde sein Plan nach hinten losgehen. Er durfte sie nicht ziehen lassen. Er schnaubte und rieb sich die Schläfen. Was sollte er tun? Sie verfluchen? Sie töten?
Die Erinnerung an Anna brach aus seinem Gedächtnis, ihr liebliches Gesicht. Was würde sie davon halten, wenn er Cynthias Leben nahm? Er schüttelte sich und verbannte die Idee aus seinem Kopf. Vielleicht ließ sich Patrick ins Gewissen reden. Aber die Hoffnung zerbarst, bevor sie wirklich Gestalt annahm. Der weiche Kerl stand mächtig unter Cynthias Pantoffel. Doch er musste sein Glück wenigstens versuchen, oder seine Drohung wahr machen und die beiden verfluchen. Töten kam nicht in die Tüte. »Cynthia«,
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