Teuflische Freunde: Roman (German Edition)
würde, und dachte, in zwei Jahren wollte er ganz sicher in sie hineinbeißen. Sogar im Jetztzustand hätte er gegen ein Häppchen nichts einzuwenden. Er gaffte weiterhin ihr Gesicht an und wünschte sich, sie hätte ihn niemals angesprochen. Letzte Woche war er mehrmals um sechs Uhr morgens ins Coffee Bean gegangen und hatte gehofft, sie dort zu erwischen, aber sie tauchte nie auf.
Als letzte Option zog er in Erwägung, vor ihrer Schule herumzulungern und dann völlig überrascht zu tun, sollte er ihr begegnen. Er hatte eine seriöse Entschuldigung: Rina arbeitete dort als Lehrerin. Aber er verwarf die Idee, weil es eindeutig nach Stalking aussah.
Also starrte er weiterhin auf dieselben zwölf Fotos, auf die er bereits vor fünf Minuten gestarrt hatte.
Sein Computer meldete sich mit einer Instant Message.
Bist du da?
Der Benutzername lautete anders als beim letzten Mal, aber er hatte einen Verdacht, wer es war.
Mom?
Lange nichts.
Wie geht es dir?
Sein Blick verschwamm, und seine Kehle schnürte sich zu.
Mir geht es gut. Sein Verstand raste. Sie hatte ihm nie etwas von der Schwangerschaft erzählt – die der Grund dafür gewesen war, warum sie ihn verlassen hatte. Er beschloss, gleich loszulegen und sie wissen zu lassen, dass er es wusste. Wie geht es meiner Schwester?
Noch eine Pause. Sie brauchte eine Weile, um eine Antwort auf die Frage zu finden. Wie spät war es in Indien? Es müsste richtig frühmorgens sein.
Es geht ihr gut. Hat Chris es dir gesagt?
Gabe schrieb: Ja, hat er. Aber Decker hat es auch herausgefunden. Wir wissen alle schon eine Weile Bescheid. Wie heißt sie?
Er wartete auf eine Reaktion von ihr.
Juleen.
Der Name gefällt mir. Irgendwann würde ich sie gerne kennenlernen.
Das wäre schön. Vielleicht schon bald?
Sein Herz fühlte sich sehr schwer an. Es war ein ungünstiger Moment.
Mal sehen, wie sich das Ganze entwickelt. Gib ihr einen Kuss von mir. Und mach dir nicht zu viele Sorgen wegen Chris. Ich habe ihn inzwischen ein paarmal getroffen. Ich glaube, er interessiert sich jetzt für andere Dinge.
Eine weitere Pause.
Ich liebe dich, Gabriel. Ich liebe dich und vermisse dich schrecklich.
Ein sehr, sehr schweres Herz. Er war nicht mehr wütend. Sein Zorn über ihre Flucht war durch eine alles verschlingende Trauer ersetzt worden. Das Klavier schien seinen Namen zu rufen.
Ich vermisse dich auch. Ich muss jetzt üben, Mom. Mach dir um mich keine Sorgen. Mir geht es wirklich gut.
Er schaltete den Computer aus, bevor sie antworten konnte, und ging zur Garage, seinem Proberaum. Die Deckers waren wunderbare Menschen – einfach die besten. Aber sie waren nicht sein Fleisch und Blut.
Konzentriere dich, Gabriel, konzentriere dich.
Chopins Finessen klangen noch nie so gut.
Nachdem sie laut angeklopft und keine Antwort bekommen hatte, klemmte Marge ihre Visitenkarte zwischen Tür und Türrahmen. Sie war gerade dabei, sich umzudrehen, als die Tür sich öffnete und die Karte zu Boden fiel.
Wendy Hesse sah verschlafen aus und trug einen blauen Jogginganzug, dazu Socken, aber keine Schuhe.
Marge bückte sich, um die Karte aufzuheben. »Es tut mir so leid, Mrs. Hesse, habe ich Sie etwa geweckt?«
Die Verwirrung stand ihr ins Gesicht geschrieben. »Wie spät ist es denn?«
»Vier Uhr.«
Wendy rieb sich die Augen. »Ich hatte den Fernseher an und bin wohl eingeschlafen.« Ein paar Sekunden verrannen. »Vier Uhr?«
»Ja, Ma’am.«
»Ich muss meine Kinder von der Schule abholen.« Sie schlug sich die Hand vor den Mund. »Ist heute Freitag?«
»Donnerstag.«
»Oh …« Sie betrachtete Marges Gesicht. »Sie kommen mir so bekannt vor.«
»Detective Dunn, LAPD .« Sie reichte der Frau ihre Karte. »Könnte ich wohl hereinkommen?«
»Natürlich.«
Marge übertrat die Schwelle. Es war ein kalter Februartag im Valley, aber im Haus herrschte eine Hitze wie in einer Gießerei. Es war schon lange her, dass das Innere der Räume die Bekanntschaft mit frischer Luft gemacht hatte. Alles wirkte, wenn man die Umstände bedachte, doch erstaunlich aufgeräumt. Wendy Hesse nahm auf einem roten Sofa Platz, und Marge setzte sich neben sie.
»Brauchen Sie Unterstützung bei irgendwas?«, fragte Marge.
»Nein, ich komme …« Sie steckte eine lose Haarsträhne hinter ihrem Ohr fest. »Alle waren sehr nett. Manche haben eine gewisse Scheu, sich mir zu nähern, aber für die meisten war es … Gott sei Dank hat man Freunde.« Sie knetete ihre Hände. »Heute ist Donnerstag?«
»Ja.«
»Fast
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