Teuflische Freunde: Roman (German Edition)
sagte Rina. »Es ist schwer, ein Genie zu sein.«
Er lachte laut. »Ich mag es, wenn du so bist. Das bedeutet nämlich, dass du kein Mitleid mit mir hast.«
»Du, mein Junge, bist alles andere als ein Fall für Mitleid. Tatsache ist, dass du überfrachtet bist mit guten Anlagen. Du solltest den weniger Glücklichen etwas davon abgeben. Wann kommst du wieder nach Hause?«
»Weiß ich nicht. Vielleicht gehen Paul und ich abends noch zusammen was essen. Ich schätze, es hängt davon ab, wie gut er spielen wird.«
»Ruf bitte an und hinterlasse eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter. Nicht dass ich mir um einen so selbstständigen Kerl Sorgen machen müsste, aber ich bin eine Mutter und werde unruhig, wenn ich nicht weiß, wo du bist.«
»Geht schon in Ordnung. Tut gut, ab und zu ein bisschen bemuttert zu werden.«
In der Küche wurde es still. Rina entschlüsselte seinen Gesichtsausdruck. »Sie hat wieder mit dir Kontakt aufgenommen?«
»Ja.« Gabe ließ den Löffel in sein Müsli fallen und schob die Schüssel von sich. »Ich hab erfahren, dass meine Schwester Juleen heißt.«
»Ein schöner Name.« Schweigen. »Was hat sie sonst noch erzählt?«
»Nicht viel. Ich hab ihr gesagt, dass Chris von dem Baby weiß und sie sich wegen ihm nicht mehr allzu große Sorgen machen soll.«
»Entspricht das der Wahrheit?«
»Irgendwie schon. Klar, er mag sie immer noch. Er hat mir gesagt, er würde sie zurücknehmen, Baby hin oder her. Aber ganz sicher jagt er ihr nicht hinterher. Ich glaub, zur Abwechslung findet er’s ganz gut, mal den Märtyrer zu spielen. Nach dem ganzen Leid, das er ihr zugefügt hat, gefällt er sich in der Rolle des trauernden Ehemannes.«
»Ich habe eine Tante und einen Onkel, die mittlerweile um die neunzig sind. Seit vierzig Jahren leben sie in getrennten Häusern und treffen sich nur am Schabbes. Die Leute haben sich ständig gefragt, ob sie getrennt oder geschieden sind? Nix da. Sie wollten einfach nicht immer zusammenleben. Für sie hat es so funktioniert.«
»Solange sie damit zufrieden sind, bin ich’s auch.« Er säuberte seine Brillengläser am T-Shirt. »Ich schätze, sie will, dass ich nach Indien komme.«
»Das wäre eine interessante Reise.«
»Ja, vielleicht irgendwann.« Wenn ich verdammt noch mal dazu bereit bin, was jetzt nicht der Fall ist. Gabe setzte seine Brille wieder auf. »Ich sollte in die Hufe kommen. Was kochst du heute Mittag?«
»Corned Beef und Truthahn.«
»Oh Mann!« Er zog eine Grimasse. »Bitte heb mir was auf.«
»Ich reserviere dir etwas und verstecke es im Kühlschrank, wo niemand es finden wird.« Rina gab ihm einen Kuss auf die Haare. »Danke für das Kompliment.«
Gabe stand auf und umarmte sie spontan ganz kurz, bevor er verlegen wieder einen Schritt zurückmachte. Sein Gesicht fühlte sich heiß an, und er wusste, er war rot geworden. »Danke, Rina. Ich bin nicht nur bei den zwei nettesten Menschen auf der Welt gelandet, sondern du kochst auch noch besser als alle, die ich kenne.«
»Das versteht sich ja wohl von selbst!«
Er lachte leise und machte sich auf den Weg in die Garage, dem einzigen Ort, an dem er sich ganz und gar wohl fühlte – dort waren sein Klavier, seine Musik, dort fand er Trost. Hin und wieder, wenn niemand zu Hause war, setzte er sich auf den Fahrersitz von Peters Porsche, die Hände am Steuer, den Blick durch die Windschutzscheibe gerichtet, und stellte sich vor, wie er auf offener Straße in Richtung Nirgendwo fuhr.
Er stand um zehn vor eins an der Bushaltestelle, aber Yasmine war nirgends zu sehen.
Tja.
Er setzte sich auf die Bank und schlug sein Kompositionsheft auf. Die Stücke spielte er in Gedanken durch, machte Korrekturen und Änderungen, bis der Bus um fünf nach vorfuhr. Als die Türen sich öffneten, betrat er die Stufe, während sein Gehirn immer noch mit seiner Musik beschäftigt war. Von weit hinten hörte er einen Schrei.
»Haaaaaalt!«
Er signalisierte dem Fahrer, bitte stehen zu bleiben, ging die Stufe wieder hinunter und sah sie zum Bus rennen. Sie war noch einen Block weit entfernt, und ihre Haare flogen ihr um den Kopf wie die Mähne eines Pferdes. Sein Herz machte einen Satz in seiner Brust. »Könnten Sie noch eine Minute warten?«, fragte er den Busfahrer. »Meine Freundin ist gleich da.«
»Ich habe einen Fahrplan und eine Route einzuhalten.«
Gabe zückte einen Zehner. »Bitte?«
Der Fahrer schob die Hand mit dem Geld weg. »Ich habe immer noch einen Fahrplan einzuhalten. Ich werde jetzt
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