Teuflische Kuesse
überhaupt angefangen hatte.
Zweifelsohne wollte er seine Kräfte für das späte Frühstück, das nach der
Hochzeit auf Arden Manor stattfinden sollte, schonen.
Cookie saß
allein auf der familieneigenen Kirchenbank. Sie hatte ihren hübschen Hut mit
ein paar Federn verziert, die morgens beim Hühnerrupfen angefallen waren.
George stand kerzengerade und hoch gewachsen an Nicholas' Seite und sah mit
seiner Frackschleife und dem gestärkten Kragen mindestens wie vierzehn aus.
Lottie stand neben Laura und umklammerte den Strauß aus Rittersporn und Lilien
so fest, dass ihre Fingerknöchel weiß waren.
Doch Laura
hatte nur Augen für Nicholas. Sie standen zwar beide dem Altar zugewandt, doch
unter gesenkten Wimpern erhaschte sie den einen oder anderen Blick und
entdeckte Dinge, die ihr
zuvor nie aufgefallen waren – die fast unmerklichen Furchen, die seinen Mund
sogar dann umgaben, wenn er nicht lächelte;
die Strähnen im Nacken, die sich ganz von selbst lockten;
den kleinen Kratzer an der Kehle, wo er sich beim Rasieren geschnitten hatte.
Letzte Nacht hatte sie ihren Mund an seinem Hals
vergraben und seine geschmeidige Haut gekostet, während seine schönen,
gewandten Finger sie an Stellen berührten, die sie selbst nie anzufassen
gewagt hatte. Doch heute erschien er ihr mehr wie ein Fremder als je zuvor.
Reverend
Tilsbury leierte endlos das anglikanische Gebetsbuch herunter, was Laura wegen
des Summens in ihren Ohren aber kaum hörte.
Bis seine
Stimme plötzlich tiefer wurde und jedes Wort wichtig war. »Ich verlange von
euch beiden, so wie ihr es auch am
schrecklichen Tag des Jüngsten Gerichts zu tun habt, wenn die dunkelsten
Geheimnisse eurer Herzen enthüllt werden, dass ein jeder von euch, falls er
einen Grund weiß, warum ihr beide nicht im heiligen Sakrament der Ehe verbunden
werden solltet, diesen Grund jetzt eingesteht.«
Lottie
holte hörbar Luft. George zupfte mit zwei Fingern an seinem Kragen herum.
Eine Glocke
aus Schweigen schien sich über Laura zu stülpen und sog ihr die Luft aus den
Lungen. Sie schaute in Panik zu Nicholas hinüber. Er zwinkerte und lächelte ihr
ermutigend zu. Mit einem Mal bekam Laura wieder Luft.
Er war kein
Fremder. Er war der Mann, den sie liebte. Und wenn sie eines Tages, nach einem
ganzen Leben mit ihm, vor Gott stehen
würde, um die Geheimnisse ihres Herzens zu enthüllen, dann würde sie es eben
tun. Weil Nicholas das einzige Geheimnis war, das es wert war, für sich
behalten zu werden.
Laura hielt
den Mund, bis es an der Zeit war, Nicholas zu ihrem angetrauten Ehemann zu
nehmen. Sie stockte nicht. Ihre Stimme klang klar durch das sonnendurchflutete
Kirchenschiff, als sie ihm ihre Liebe schwor und dass sie ihm gehorchen werde,
in guten wie in schlechten Tagen, in armen wie in reichen, in Gesundheit und
Krankheit, bis dass der Tod sie scheiden würde. Der Reverend hielt ihnen das
Gebetsbuch hin und räusperte sich erwartungsvoll. Laura fiel bestürzt ein, dass
Nicholas gar keinen Ring für sie hatte. Jedenfalls dachte sie das, bis er
einen schmalen Goldreif aus der Westentasche zog und ihn vorsichtig auf das
Gebetbuch legte.
Der
Reverend gab Nicholas den Ring zurück, und der steckte ihn Laura an den
Finger. »Ich habe ihn in Lady Eleanors Schmuckschatulle gefunden«, flüsterte
er. »Wenn sie so großzügig war, wie du sie mir beschrieben hast, dann wird es
sie wohl nicht stören.«
Laura
lächelte erst den funkelnden Granatstein an, der einst Lady Eleanors Großmutter
gehört hatte, und dann aus tränennassen Augen Nicholas. »Ich glaube, das hätte
ihr gut gefallen.«
Ein strahlender
Reverend Tilsbury legte ihrer beiden rechten Hände ineinander und hielt sie
hoch. Mit einer Stimme, die auch noch den letzten Winkel der Kirche erreichte,
sagte er: »Was Gott zusammengefügt hat, darf der Mensch nicht scheiden.«
»Darauf ein
lautes Amen!«, rief Cookie aus, als die Kirchengemeinde in donnernden Applaus
ausbrach.
George kam mit Lottie im Schlepptau aus
der Kirche. Während Laura und Nicholas ihre erste heilige Kommunion als
Eheleute empfingen, gingen er und seine Schwester zu den anderen, die draußen
auf dem Kirchhof warteten, damit sie dem Brautpaar gratulieren konnten.
George lief
auf den Schatten einer Eiche zu und versetzte seinen Manschetten einen
fachmännischen Kniff, wie er es seinen frisch gebackenen Schwager schon dutzende
Male hatte tun sehen. »Weißt du, Lottie, ich hab mir gedacht, möglicherweise
haben wir uns die ganze Zeit getäuscht, was
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