Teuflische Kuesse
Eheschließung ungültig
ist?«
Laura
senkte den Blick. Die Frage war nicht fair, das wussten sie beide.
»Ich gebe
Ihnen keine Schuld. Ein Mann in meiner gesellschaftlichen Position sollte
seine Emotionen besser im Griff haben. Ich versichere Ihnen, es wird nicht noch
einmal geschehen.« Laura empfand keine Erleichterung, nur Verlust. Sterling
warf den Brieföffner fort. »Auf meine Bitte hin hat einer der Lakaien letzte
Nacht einen kleinen Ausflug zur Dorfkirche unternommen.«
Der abrupte
Themenwechsel ließ Laura verwundert die Stirn runzeln. Sie entsann sich, dass,
kurz bevor Sterling in ihr Schlafzimmer gestürmt war, eine Kutsche Arden Manor
verlassen hatte. »Und zu welchem Zweck?«
»Die Ankunft
meiner Cousine hat mich in derart helle Aufregung versetzt, dass ich den Engel
ganz vergessen habe, der nur Minuten, nachdem wir unsere Gelübde abgelegt
haben, auf uns heruntergestürzt kam.«
Laura
schüttelte den Kopf. Sie würde niemals den entsetzlichen Augenblick vergessen,
als sie sich umgewandt und ihn unter der Kirchentür hatte liegen sehen. »Ein
tragischer Unfall.«
»Ich wäre
ebenfalls geneigt gewesen, an einen Unfall zu glauben.
Bis mein Lakai das hier auf dem Glockenturm gefunden hat.« Er griff in eine
der Schubladen und holte einen Gegenstand aus Eisen hervor. Zuerst dachte
Laura, es handle sich um einen weiteren Brieföffner. Dann begriff sie, dass es ein Meißel
war, dessen schwarze Spitze noch dick mit Mörtel bedeckt war. »Wie es scheint,
war es gar kein Unfall, sondern ein
stümperhafter Mordversuch. Sagen Sie mir doch, Miss Fairleigh ...« Sterlings
goldener Blick streichelte ihr Gesicht, als er sich im Stuhl zurücklehnte.
»Wollten Sie mich? Oder wollten Sie meine Leiche?«
Obwohl es
ihr wie eine Ewigkeit schien, dass sie in den Armen ihres liebenden Bräutigams
auf jenen Stufen gestanden hatte,
kehrte die Erinnerung minuziös zurück. Sie erinnerte sich, wie
sie sich nach dem Einschlag der Statue hochgerappelt hatte und die Stufen
hinaufgestolpert war; wie eine schrille Stimme
ihren Namen gerufen hatte; wie Lottie und George um den
Kirchturm herum gelaufen kamen. Sie sah immer noch den Ausdruck, der in jenem
Moment Lotties Gesicht verzerrt hatte –
schuldbewusstes Entsetzen gemischt mit Erleichterung. Die Zeit lief rückwärts
bis zu jenem Augenblick im Salon, als sie und die Kinder erfahren hatten, dass
Sterling Harlow ihr Heim in Besitz zu nehmen gedachte.
Wir könnten
ihn umbringen. Lotties fröhliches Geplapper hallte in ihrem Gedächtnis
wider, sowie ihre eigene, achtlose Antwort. Dazu wird es vermutlich einer
silbernen Gewehrkugel oder eines Pflocks durchs Herz bedürfen.
Doch es war
ihr eigenes Herz, das durchbohrt worden war. Nicht von einem Pflock, sondern
von dem Meißel, den Sterling in der Hand hielt.
Sie konnte
ihn von ihrer Unschuld überzeugen. So viel Macht hatte sie noch über ihn, das
wusste sie. Schließlich wäre sie
diejenige gewesen, die der Engel erschlagen hätte, hätte Sterling sie nicht aus
dessen Unglücksbahn gestoßen. Doch sich selbst
zu verteidigen hieß Lottie und George zu verurteilen. Und sie bezweifelte,
dass ein Mordversuch an einem Angehörigen des Oberhauses einen milden Richter
finden würde. Sogar wenn das Gericht den Tätern freundlich gesinnt war und in
Betracht zog, dass die beiden kaum den Windeln entwachsen waren. Was sollte
sie nur machen? Freudig Sterlings Herzogin werden, während ihr Bruder und ihre
Schwester am Galgen baumelten oder in Newgate verrotteten?
Laura
wusste, dass sie jede Hoffnung auf eine glückliche Zukunft fahren lassen
konnte, starrte Sterling mit toten Augen an und sagte kalt: »Ich wollte Arden
Manor. Und ich war bereit, alles dafür zu tun. Sogar, mir einen lästigen
Bräutigam vom Hals zu schaffen.«
Er sagte
kein Wort. Er schaute sie nur mit regloser Miene an.
Sie wusste
zwar, dass es ohne goldene Lockenmähne nicht halb so effektiv war, doch sie
warf ihren Kopf zurück, wie sie es Lottie hunderte Male hatte tun sehen. Wie
ihre Schwester zu argumentieren, war ihre einzige Hoffnung. »Lady Eleanors
Testament legt fest, dass ich einen Bräutigam finde. Davon, ihn zu behalten, hat sie nichts geschrieben. Wenn Sie aus dem Weg gewesen wären, hätte ich
Arden Manor führen können, wie es mir beliebte, ohne dass sich ein Fremder in
meine Angelegenheiten gemischt hätte. Ich hätte mich schließlich schlecht
scheiden lassen können. Der Skandal hätte nur unseren guten Namen befleckt.
Also habe ich beschlossen,
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