Teuflische List
er.
»Was meinst du damit?«
»Er hat sich den Reihen jener angeschlossen, die Abigail Allen geliebt haben.« Er verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. »Ich sollte mich wohl auch vorsehen.«
»Silas, was hast du getan ?«
»Immer mit der Ruhe, meine Süße.«
Meine Süße.
Abigail starrte ihn an. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, und ihre Hände wurden schwitzig.
»Ich habe euch zusammen gesehen«, sagte Silas. »Ich habe gesehen, wie Nagy die Arme um dich gelegt hat, meine Frau, und wie sein Mund überall auf dir war.«
»So etwas hat es nie gegeben!«, erregte sich Abigail. »Wir haben nur …«
»Also habe ich gewartet, bis das Taxi abgefahren war«, unterbrach er sie. »Dann habe ich Nagy den Tritt verpasst, den er verdient hat.«
Sprachlos starrte Abigail ihn an.
»Ich habe ihn in der Gasse zu seiner Wohnung liegen lassen«, sagte Silas. »›Garden Walk‹ nennt man sie, aber das ist nur ein protziger Name für eine jämmerliche Gasse. Vermutlich fällt einem das erst auf, wenn man Jasper Gardens wirklich gut kennt. Kennst du dich dort gut aus?«
Abigail hatte das Gefühl, als würde jeden Moment ihr Herz platzen.
»Nein?« Silas zuckte mit den Schultern. »Na, ist auch egal. Jetzt zählt nur, dass Charlie Nagy tot ist und dass es exakt wie ein Raubüberfall aussieht. Und sollte jemand fragen – nicht dass sie’s tun werden, nur für den Fall –,wirst du sagen, dass ich zu Hause gewesen sei und dass du kurz vor dem Überfall, kurz bevor du ins Taxi gestiegen bist, noch mit mir daheim telefoniert hast, wo ich auf dich gewartet habe.«
Abigail fiel das Atmen schwer, und dieses Wort – das Wort – dröhnte in ihren Ohren wie ein verrückter Tinnitus: Tot … tot …
Sie schloss die Augen, und die Dunkelheit drehte sich um sie herum.
Sie erinnerte sich an Charlie, der ihr so freundlich und sanft Wasser ins Wohnzimmer gebracht hatte, nachdem sie sich übergeben hatte.
»Er ist mit seiner Börse in der Hosentasche rausgekommen, also hab ich sie mir genommen«, fuhr Silas fort. »Das Bargeld habe ich rausgeholt … keine Kreditkarten, nur gut dreißig Pfund Bares … und den Rest weggeworfen, wie Straßenräuber es häufig tun.«
Abigail öffnete die Augen wieder. »Das hast du dir doch alles nur ausgedacht.«
Ein winziger Hoffnungsfunke keimte in ihr auf.
»Und jetzt …«, fuhr Silas fort wie ein gut gedrillter Soldat, der seinen Vorgesetzten Bericht erstattete, »… jetzt werden wir beide meine Kleidung und die Schuhe verbrennen, weil ich glaube, dass ein wenig Blut oder vielleicht noch Schlimmeres darauf gespritzt ist, und wir wollen ja keine unnötigen Risiken eingehen.«
»Nein.« Ihre Stimme klang schwer und fremd in ihren eigenen Ohren, und die Hoffnung war bereits wieder gestorben.
Er hat das nicht erfunden.
»Doch«, sagte er. »Denn wie du sehr wohl weißt, bist du daran schuld.«
»Nein«, widersprach sie. »Nein, Silas.«
»Doch«, sagte er erneut. »Denn du, Abigail, bist hinter deiner ach so verletzlichen Fassade eine gefährliche Frau.«
»Ich will dorthin gehen«, sagte sie einige Zeit später.
Sie war aus dem Wohnzimmer verschwunden, hatte Silas zurückgelassen und war nach oben gegangen, um allein zu sein. Dort aber hatte sie erkennen müssen, dass sie nicht allein sein konnte. Sie war auf und ab gelaufen, zuerst in ihrem Schlafzimmer, dann im Flur oben. Auf und ab, auf und ab, als könnte die ständige Bewegung sie vom Denken abhalten und dem Albtraum, dem Entsetzen ein Ende bereiten.
Doch nichts machte dem ein Ende.
»Ich will dorthin gehen, wo du ihn hast liegen lassen«, sagte sie, als sie ins Wohnzimmer zurückgekehrt war, wo Silas noch immer so still im Sessel saß, als hätte er keinen Muskel gerührt. »Vielleicht ist Charlie ja nicht tot. Vielleicht können wir ihm noch helfen, wenn wir schnell sind.«
»Sei nicht dumm«, sagte Silas. »Ich habe dir doch gesagt, dass er tot ist. Er liegt nicht im Sterben, ist nicht verletzt. Er ist tot. Du weißt doch, was tot bedeutet, Abigail.«
»Aber wir können ihn doch nicht einfach so liegen lassen!« Vor ihrem geistigen Auge sah sie Charlie in der Gasse liegen, allein, und sie drückte sich die Knöchel in die Augen, um dieses Bild aus ihrem Kopf zu löschen. »Er ist mein Freund .«
»Er war dein Freund«, sagte Silas hart. »Er war dein ehemaliger Manager, und nun ist er tot, von uns gegangen, und niemand kann ihm mehr helfen. Solltest du auch nur in seine Nähe gehen, wirst du mich – deinen
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