Teuflische List
Ehemann, erinnerst du dich? – tief in die Scheiße reiten.« Er starrte sie mit seinen steinharten, kalten Augen an. »Oder willst du das? Mich ins Gefängnis schicken? Mich loswerden?«
Abigail starrte ihn an. Sie sah ihn nicht wirklich; sie wusste eigentlich nicht, was sie sah. Zu viele Dinge blitzten schmerzhaft vor ihrem geistigen Auge auf: Silas, der Charlie schlug, Francesca im Krankenwagen, ihr Vater, der gegen die Wand geschleudert wurde, Eddie, der durch die Luft flog …
Sie schrie – ein langes, schreckliches, gequältes Heulen – und rannte wieder aus dem Zimmer, doch im Haus konnte sie nirgendwohin. Es gab keinen Ort, an den sie fliehen konnte, also lief sie nach oben, zog Jeans, Sweatshirt und Schuhe an und ging zur Tür. Ihre Hände zitterten so heftig, dass es ihr schwer fiel, den Schlüssel im Schloss zu drehen und die Kette abzunehmen. Aber sie schaffte es, und Silas kam nicht, um sie aufzuhalten. Und dann war sie draußen in der kühlen Nachtluft, umgeben von den Bäumen, die das Haus vom Hügel trennten, und einen Augenblick lang bescherte die frische Luft ihr so etwas wie Erleichterung, doch dann war auch dieses Gefühl verschwunden.
Geh, sagte sie sich. Geh weg von hier.
Wie gelähmt stand sie auf dem Weg vor dem Haus.
Einen Fuß vor den anderen, Abigail.
Sie setzte sich in Bewegung.
Erschöpfung brachte sie wieder zurück, zusammen mit dem Wissen, dass sie nirgends Zuflucht finden würde, obwohl sie sich davor fürchtete, klingeln und Silas wieder gegenübertreten zu müssen, denn in ihrer Aufregung hatte sie die Hausschlüssel vergessen.
Die Tür war bereits offen. Silas stand dort und wartete auf sie.
»Ich dachte, du wärst weg«, sagte er mit leiser, ängstlicher Stimme.
Abigail kam näher, sah, dass seine Augen rot waren und seine Wangen nass, doch sie empfand nicht den Hauch von Mitgefühl für ihn.
»Ich kann nirgends hin«, sagte sie.
Rasch ging sie an ihm vorbei und versuchte, ihn dabei nicht zu berühren. Silas folgte ihr dichtauf, aber nicht zu nahe, wie ein misstrauischer Hund.
»Ich habe es nicht so gemeint«, sagte er und folgte ihr in die Küche.
»Was hast du nicht so gemeint?«, fragte Abigail. »Einen guten, freundlichen Mann dafür zu töten, dass er deine Frau tröstend umarmt hat?«
»Du hättest dich nicht von ihm trösten lassen dürfen.« Der demütige Hund verschwand bereits; die Tränen waren trocken. »Du hättest bei mir sein sollen.«
»Du hättest in der Kirche sein sollen, um dort die Taufe deines Neffen und Patensohnes zu feiern.« Das schien eine Ewigkeit her zu sein und wirkte nun schrecklich trivial, und doch strömten die Worte aus Abigails Mund, als wären sie von einem eigenen Willen beseelt. »Aber da du ja nicht geblieben bist, nehme ich an, bist du jetzt nicht sein Pate, und wenigstens dafür will ich Gott danken.«
Wie schon zuvor nach dem Konzert in der Jerome Hall dachte sie, er würde sie schlagen, und sie wusste, dass er dazu fähig war – und noch zu viel mehr.
»Es ist dein Werk, Abigail.« Worte anstelle von Schlägen.
Sie drehte sich zum Teekessel um und suchte Zufluchtim Teekochen, wie ihre Tante Betty es immer getan hatte und vor ihr Francesca …
»Das alles«, sagte Silas. »Du hast mich dazu getrieben.«
Sie packte den Henkel.
»Es war deine Schuld, dass Charlie eingeladen worden ist«, preschte Silas weiter vor. »Jules mag ihn ja gefragt haben, aber sie hat es für dich getan.«
Meine Schuld.
Zitternd stellte sie den Kessel ab.
Meine Schuld.
»Es ist deine Schuld, dass du mit ihm zu seiner Wohnung gegangen bist«, sagte er. »Zumindest das musst du zugeben.« Er hielt kurz inne. »Nicht wahr, Abigail?«
»Ja«, sagte sie.
»Dann siehst du es also ein?«, hakte Silas nach.
»Ja.« Die schreckliche Müdigkeit kehrte wieder zurück. »Ja, ich nehme es an.«
»Mit ›annehmen‹ hat das nichts zu tun.«
Alles meine Schuld.
»Was immer du sagst, Silas.«
»Dann wirst du mir also helfen, wie ich dich gebeten habe?«
Sie hatte vergessen, worum er sie gebeten hatte.
»Meine Kleider verbrennen«, sagte er, als hätte er ihre Gedanken gelesen.
Jetzt war sie der Hund, geprügelt und in die Ecke getrieben.
Nein, sagte sie in Gedanken.
»Ja«, sagte sie laut.
»Willst du das Bargeld aus Nagys Börse?«
Silas stellte Abigail diese Frage, als sie Seite an Seiteein Stück neben dem Teich im hinteren Teil des Gartens standen und seinen Anzug, das Hemd und die Schuhe in einer alten Tonne verbrannten, die von
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