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Teuflische List

Teuflische List

Titel: Teuflische List Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Norman
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entgegnete Silas, »dass ich dich so sehr liebe?«

25.
    Den ganzen nächsten Tag fühlte sie sich wie ein Auto ohne Benzin, das dennoch weiterrollte, angetrieben von Unwirklichkeit.
    Sie wartete auf jemanden – Toby Fry von Nagy Artists vielleicht –, der sie wegen Charlie anrief, doch nichts tat sich. Aber sie war auch nur eine Klientin, ja, nicht einmal das, nach Silas’ Anschuldigungen wegen der Spendengelder. Es gab keinen Grund, warum jemand ausgerechnet sie hätte anrufen sollen.
    Dann aber rief Jules an, ziemlich früh, und fragte vorsichtig nach Silas, obwohl Abigail wusste, dass sie sich eigentlich nach ihrem Wohlbefinden erkundigen wollte, nicht nach dem ihres Bruders. Und sie wusste auch, dass sie Jules hätte anbieten sollen, zum Aufräumen vorbeizukommen, aber sie konnte es heute einfach nicht ertragen, mit Jules zusammen zu sein, also sagte sie nur, dass Silas zur Arbeit gegangen sei und dass sie Olli einen Kuss von ihr geben solle. Das war alles.
    »Ist alles in Ordnung?«, fragte Jules. »Keine Probleme, nachdem Charlie dich nach Hause gebracht hat?«
    »Keine«, antwortete Abigail.
    Unvermittelt erkannte sie, dass Jules nicht wusste, dass sie mit Charlie in dessen Wohnung gefahren war, und eine Sekunde lang dachte sie darüber nach, gar nichts zu sagen; doch das Problem mit Lügen ist, dass sie einen irgendwann immer einholen.
    »Charlie hat mich übrigens nicht nach Hause gefahren«, sagte sie. »Wir haben bei ihm noch was getrunken, und dann hat er mir ein Taxi gerufen.«
    »Oh«, sagte Jules. »Okay. Hauptsache, mit dir ist alles in Ordnung.«
    Abigail sagte erneut, dass dies der Fall sei, und erklärte dann, dass sie jetzt gehen müsse, weil ihr Toast sonst anbrennen würde, doch sie bezweifelte, dass Jules ihr glaubte. Andererseits vermutete Jules wahrscheinlich, dass Abigail nicht in Ordnung sei, weil sie und Silas sich wegen seines überstürzten Abgangs aus der Kirche in die Haare bekommen hatten.
    Wenn das nur alles gewesen wäre …
    Abigail ging zum Broadway, kaufte sämtliche Zeitungen, die sie tragen konnte, setzte sich ins Obergeschoss von Crocodile Antiques und blätterte sie allesamt durch.
    Sie ließ ihren Kaffee kalt werden und fand nichts. Schließlich ging sie wieder nach Hause und schaute sich sämtliche Lokalnachrichten an. Dabei wandte sie sich immer wieder ab wie ein Kind, das sich fürchtete, etwas Schreckliches zu sehen, jedoch nur, um kurz darauf wieder hinzuschauen.
    Doch im Augenblick gab es nichts zu sehen.
    Abigail verbrachte die meiste Zeit damit, sich zu fragen, warum Silas so etwas Schreckliches getan hatte – oder warum er es zumindest behauptete; denn noch immer hegte sie die schwache Hoffnung, dass er log. Vielleicht war ja die Geschichte von Paul Graves der Schlüssel zu allem, überlegte sie, während sie in der Küche bügelte, den Rücken zum Fenster gekehrt, damit sie nicht zum Teich blicken musste. War Silas’ und Jules’ Vater ein schrecklicher Mann gewesen, der siemissbraucht hatte? Irgendetwas musste geschehen sein, um Silas – das Beste, Wertvollste in ihrem Leben – zu so einem …
    Sie schob den Gedanken beiseite und bügelte ein Hemd nach dem anderen – so wild, dass sie neue Falten hineinmachte. Aber das war ihr egal.
    Immer wieder kehrten die Bilder zurück, so lebendig, so kraftvoll, dass sie am liebsten lauthals geschrien hätte.
    Sie wollte weglaufen, fort von hier, und nie wieder zurückkehren.
    Silas kam und ging. Er fuhr zum Studio und wieder zurück und sprach mit einer Mischung aus Freundlichkeit und Beklommenheit mit ihr, und Abigail sah, dass er sich trotz des Mutes, der äußeren Kälte und des Fehlens jeglicher Emotion in jener Nacht plötzlich jämmerlich vor etwas fürchtete.
    Vor was?, fragte sie sich. Davor, dass sie ihn verließ oder der Polizei meldete? Verließ er sich wirklich auf ihre Gefühle für Jules und nicht auf ihre Liebe zu ihm, dass sie ihn nicht anzeigte?
    In der zweiten Nacht schlief sie vor Erschöpfung, doch sie träumte davon, wie sie im Garten lag, von Kopf bis Fuß in Frischhaltefolie gewickelt. Sie konnte durch die Folie hindurchsehen und hindurchhören, aber sie konnte nicht atmen, und die ganze Zeit saß Silas auf der Steinbank neben dem Teich und beobachtete sie mit einem liebevollen Lächeln, doch sie konnte nicht atmen, und er machte keine Anstalten, ihr zu helfen.
    Keuchend und schwitzend wachte sie auf, und er saß neben ihr und schaute sie an.
    »Alles in Ordnung?«, fragte er.
    »Ein

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