Teuflische List
tat.
Nicht dass es ihn sonderlich gekümmert hätte. Schon vor langer Zeit war er zu dem Schluss gekommen, dass Sex zwar einem ganz bestimmten Zweck diente, aber trotzdem etwas rein Körperliches war – außerdem ausgesprochen unsauber und im Gegensatz zu dem, was einem im Kino vorgegaukelt wurde, auch nicht gerade schön.
Beim Masturbieren hingegen, dachte er nun, als er aus dem Bad wieder zu Jules ging, die zum Glück noch immer schlief, brachte man es einfach hinter sich, und das war’s.
Eklig, sagte die Stimme seiner Mutter in seinem Kopf. Lächerlich.
Verpiss dich, Mutter, antwortete Silas der körperlosen Stimme.
8.
Als Patricias Anwalt, Stephen Wetherall, Silas und Jules in seinem Büro in Lincoln’s Inn das Testament ihrer Mutter verlas, stellte sich heraus, dass Silas ein Erbe von fünftausend und Jules eines von zehntausend Pfund bekam. Jules bekäme deshalb mehr Geld, hatte Patricia in einem beiliegenden Brief geschrieben, weil Silas so gut aussehend, klug und weltgewandt sei und noch dazu ein Mann; deshalb, da sei sie sicher, würde das Leben für ihn viel einfacher werden als für Jules. Das Haus mitsamt der Einrichtung hatte sie Graham vermacht, der sie so glücklich gemacht habe. Für den Fall, dass er sie nicht überlebte, bekam Jules das Haus und Silas den Rest.
Nach der Testamentseröffnung wartete Silas nicht auf den Austausch von Höflichkeiten, sondern schnappte sich seinen grauen Wintermantel, stapfte aus dem Büro, schwang sich in Patricias Ford Escort und rauschte davon. Als Jules schließlich mit dem Taxi eintraf, das der freundliche Anwalt ihr gerufen hatte, war ihr Bruder oben im großen Doppelschlafzimmer und packte seine Sachen.
»Was tust du da?« Jules war völlig verstört.
»Ist das nicht offensichtlich?« Silas nahm die Karaffe mit Maltwhiskey von seinem Nachttisch und hielt sie hoch. »Ich habe beschlossen, dass der Glenlivet ihm gehört hat; deshalb macht es dir wohl nichts aus, oder?« Er trank direkt aus der Karaffe.
»Silas, hör auf damit!« Jules, die schon auf dem Heimweg die meiste Zeit geweint hatte, brach erneut in Tränen aus. »Ich weiß, dass du wütend bist, aber …«
»›Wütend‹ ist ein wenig untertrieben, Schwesterherz.« Er stellte die Karaffe ab und warf zwei in Zellophan verpackte Hemden sowie ein schwarzes Sweatshirt in den offenen Koffer auf seinem Bett.
»Du verstehst nicht.« Jules sprang vor, riss das Sweatshirt aus dem Koffer und drückte es an ihre Brust. »Ich habe Stephen schon gebeten, das Testament zu ändern. Es war schrecklich von Mami, dir so etwas anzutun … und mich hat sie beleidigt, von wegen ich sei nur ein Mädchen und nicht sehr hübsch und ich würde zu viel lesen.«
»Sie hat nichts dergleichen gesagt«, sagte Silas.
»Aber du weißt, dass sie es gemeint hat«, erwiderte Jules, und das war die Wahrheit, denn Patricia hatte ihre Tochter stets gedrängt, mehr aus ihrem Aussehen zu machen und endlich die Nase aus den Büchern zu nehmen. »Aber ist ja egal. Was sie geschrieben hat, meinte sie nur in Bezug auf das Geld, nicht wahr? Wäre Graham nicht auch umgekommen, hätte ich das Haus nicht geerbt, und dir hat sie immerhin den ganzen Rest hinterlassen. Stephen sagt, das sei eine Menge.«
»Das Geld ist mir egal«, erklärte Silas, obwohl er nicht mit Sicherheit hätte sagen können, ob es wirklich so war. »Aber lass mich raten, was Stephen zu einer Testamentsänderung gesagt hat.« Er drehte sich zu einem offenen Kleiderschrank um. »Ein dickes, fettes Nein, stimmt’s?«
»Stimmt.« Jules klammerte sich noch immer an das Sweatshirt. »Aber ich könnte dir das halbe Haus überschreiben, wenn ich will.«
Silas drehte sich wieder um. »Darum würde ich dich niemals bitten«, sagte er. »Außerdem bist du bestimmt noch zu jung dazu, nicht wahr?«
»Silas, nicht! « Sie warf das Sweatshirt auf einen Stuhl. »Bitte, rede nicht so!«
Er zuckte mit den Schultern. »Tut mir Leid, aber das ist wohl kaum meine Schuld.«
»Und meine auch nicht.« Jules trat näher an ihn heran, streckte zögerlich die Hand aus und berührte seinen Arm. »Du kannst mich nicht verlassen, Silas. Du könntest es nicht ertragen.«
Silas trat von ihr weg und holte zwei Jeans aus dem Schrank.
»Und ich bin erst dreizehn …« Jules kämpfte verzweifelt weiter. »Wenn du gehst, müsste irgendjemand, ein Fremder, hierher kommen und mit mir hier leben, und das würde dir bestimmt nicht gefallen. Und egal, was in Mamis Testament steht, das ist
Weitere Kostenlose Bücher