Teuflische List
er sogar die Schlösser ausgetauscht.
Aber selbst wenn dem so sein sollte, gab es ein Fenster im Erdgeschoss, das in den Raum führte, den Silas den Werkzeugraum nannte, der jedoch früher, in Jules’ Kindheit, die Waschküche gewesen war. Dieses Fenster konnte man aufstoßen; überdies war es in derVergangenheit nie verschlossen gewesen – tatsächlich ging das gar nicht, weil es defekt war. Jules erinnerte sich daran, sich als Kind einmal auf diesem Weg hineingeschlichen zu haben, und soweit sie wusste, hatten weder ihre Mutter noch Graham das Fenster je reparieren lassen. Sie selbst hatte es bis heute vergessen, und deshalb vielleicht …
Natürlich war Jules damals kleiner gewesen, und somit konnte sie nicht sicher sein, noch hindurchzupassen, daher die Brechstange. Falls nötig, würde sie das Fenster aufbrechen.
Natürlich hatte sie auch die andere Möglichkeit erwogen, nämlich Silas der Polizei zu melden, damit diese Abigail herausholte; doch je mehr Jules darüber nachgedacht hatte, desto unsinniger hatten sämtliche Anklagepunkte schon für ihre Ohren geklungen.
Ein als Raubüberfall getarnter Mord. Ein von Zeugen bestätigter Unfall, den Silas nur zufällig gesehen hatte. Ein Angriff auf seine eigene Ehefrau, die wiederholt gegenüber der Polizei und dem Krankenhauspersonal darauf bestanden hatte, dass es ein tragischer Unfall gewesen sei. Eine im Garten ihres einstigen Hauses vergrabene Leiche, und eine nicht beweisbare Drohung gegen ihr Baby.
Und Ralph.
Man würde sie vermutlich für vollkommen durchgedreht halten; das sah Jules ein. Und selbst wenn es gelingen sollte, dass ein paar Beamte zum Haus geschickt wurden, würde Silas seine Frau und ihr ungeborenes Kind vermutlich ausreichend bedroht haben, dass Abigail dem Beamten erklärte, es sei alles in Ordnung.
»So«, sagte Jules zu dem Dackel, »dann bleibt also doch wieder alles an mir hängen.«
47.
Abigail lag ausgezogen im Bett.
Ganz allein in der Dunkelheit.
Silas hatte gewartet, bis sie fertig war, und dann getan, was er angekündigt hatte: Er hatte das Schlafzimmer abgeschlossen, die Fenster des angrenzenden Badezimmers verriegelt, das Telefon ausgestöpselt und mit hinausgenommen.
Abigail war nicht sicher, was widerwärtiger war: dass sie in der Falle saß, blind und allein und ohne Aussicht auf Rettung, oder das Wissen, dass Silas vielleicht wieder herein oder gar zu ihr ins Bett kommen würde.
Du schläfst nun schon seit Monaten mit ihm.
Mit einem Mörder … Gott stehe ihr bei.
Abigail legte die rechte Hand auf ihren flachen Leib.
Wegen dir.
Das Baby veränderte alles.
Und natürlich Silas’ Drohung gegen Olli.
Abigail hatte das Radio eingeschaltet in der Hoffnung, es würde sie ein wenig beruhigen oder zumindest von ihrer Situation ablenken. Vielleicht würde sie dann wenigstens für eine Stunde so tun können, als sei alles normal und als versuche sie zu schlafen.
»Bücher zur Schlafenszeit« hatte jedoch nicht funktioniert. Außerdem wollte sie auf jedes noch so leise Geräusch achten, damit sie nicht ganz so hilflos und verletzlich war, wenn Silas zurückkehrte.
Also stellte sie das Radio wieder aus und setzte sich aufrecht in die Kissen, fest entschlossen, wach zu bleiben.
Schlaf ja nicht ein.
Ein Schlaflied kam ihr in den Sinn, ein süßes, sanftes Lied, das Dougie Allen, ihr armer lieber Vater, ihr immer vorgesungen hatte, als sie noch ganz klein gewesen war. Sie konnte sich kaum noch an den Text erinnern.
Leg dein Köpflein …
»Jetzt nicht, Daddy«, sagte sie in die Dunkelheit hinein.
Leg dein Köpflein fein zur Ruh …
»Bitte«, sagte sie.
48.
Drew liebte Babys, besonders Olli, den er aufgrund der Umstände inzwischen weit besser kannte als die Kinder seiner Schwester oder auch den jungen Harry, sein Patenkind, dessen Familie wenigstens nicht allzu weit weg wohnte, anders als seine Nichten in Harrogate.
Größtenteils war er mit seinem Leben recht zufrieden, und dass er mehr mit Jules als für sie arbeitete, wie sie immer wieder betonte, trug nicht wenig zu dieser Zufriedenheit bei. Nur dass er selbst wohl nie Kinder haben würde, ärgerte ihn hin und wieder. Nick, sein betrügerischer Lover, hatte einmal davon gesprochen, eines zu adoptieren oder über eine Samenspende eine Leihmutter zu finden, doch inzwischen hatte Drew leider erfahren müssen, dass Nick auch in diesem Fall schlicht Mist geredet hatte.
Drew hatte Olli gefüttert und ihm seinen Schlafanzug angezogen, und nun schlief der
Weitere Kostenlose Bücher