Teuflische Lust
Marcel lenken sollte, um herauszufinden, ob Melli sich noch immer Hoffnung machte, erklang aus den Lautsprechern ihres Laptops ein freundliches »Sie haben Post«.
»Entweder Trisha hat schon geantwortet, oder die Mail ist zurückgekommen. Ich seh kurz nach, ja?«
»Kein Problem.«
Sie checkte ihren Posteingang und entdeckte eine ihr unbekannte Mailadresse von einem Lucky_Luke. Wer war Lucky Luke? Vielleicht handelte es sich nur um eine Spamnachricht, überlegte sie. In letzter Zeit funktionierte ihr Spamfilter nicht mehr richtig, und sie bekam immer häufiger lukrative Angebote aus den USA für Penisverlängerung. Doch im Betreff stand »Hallo Alexia.« Der Typ musste also wissen, wen er angeschrieben hatte. Verwirrt öffnete sie die Mail. Melli musste bemerkt haben, dass etwas nicht stimmte, und fragte: »Alles in Ordnung?«
»Ja, mir hat hier nur jemand geschrieben, den ich nicht kenne.«
Alswären dies die magischen Worte gewesen, sprang Melli auf und stellte sich neugierig neben sie. »Wie aufregend, ein geheimer Verehrer?«
»Woher sollte der meine Mailadresse haben?«
»Lies doch erst mal, was er schreibt. Vielleicht klärt sich dann alles von selbst?«
Alexia nickte zögerlich.
Hallo Alexia,
ich bin der Lucas aus Berlin. Bin auf dein Profil im Flirtportal gestoßen und habe gesehen, dass du Nightwish-Fan bist. Ich finde die Band auch toll, mag besonders die neue Sängerin, klingt moderner als früher. Würde gern noch mehr über dich erfahren. Was hältst du davon, wenn wir uns mal treffen? Meld dich bei mir.
Ciao Lucas.
Sie fand die E-Mail nicht sonderlich originell. Diese Dreizeiler, die rein gar nichts über einen Menschen verrieten, waren nicht ihr Ding. Auch wenn er durchaus nett klang, sofern man das bei einer so geringen Wörterzahl überhaupt sagen konnte. Wenigstens wusste sie jetzt, woher er ihre E-Mail-Adresse hatte. Nach der Pleite mit Sven hatte sie eigentlich beschlossen, ihr Profil im Flirtportal zu löschen, es aber dann vergessen. Wie gut, dass Lucas sie daran erinnerte. Das würde sie gleich heute erledigen.
»Ohhh, ist das süß.« Melli schlug vor Begeisterung die Hände zusammen. »Du wirst ihm doch schreiben, oder?«
»Ich denke nicht.«
Alexia setzte sich wieder an den Tisch und überlegte, was sieessen sollte. Sie entschied sich für ein Vollkornbrötchen und etwas magere Hähnchenbrust. Das war gesund und hatte wenig Kalorien.
»Wieso denn nicht? Der scheint dich zu mögen«, sagte Melli völlig verständnislos und ließ sich wieder auf ihren Stuhl fallen.
»Er kennt mich doch gar nicht. Im Internet treiben sich viele Spinner herum. Man muss vorsichtig sein.«
Melli schwieg eine ganze Weile, aß ihr Marmeladenbrötchen und nippte nachdenklich an ihrem Kakao, während Alexia noch immer nach einer Möglichkeit suchte, das Thema geschickt auf Marcel zu lenken.
»Da stand etwas von einem Flirtportal«, sagte Melli plötzlich, als hätte sie eine Eingebung.
»Ja, er ist dort auch angemeldet, wie es scheint.« Sie wünschte wirklich, Melli würde das Thema auf sich beruhen lassen. Sie hatte kein Interesse mehr an einer Internetbekanntschaft. Aber Melli ließ nicht locker. Vielleicht, weil sie ganz genau wusste, worüber Alexia eigentlich mit ihr sprechen wollte.
»Wieso schaust du dir sein Profil nicht an? Der muss doch eins haben, wenn er da angemeldet ist.«
Alexia schluckte einen dicken Bissen hinunter und schüttelte den Kopf. Sie musste nur an Sven denken, und ihr verging jeglicher Enthusiasmus.
»Jetzt sei doch nicht so stur. Schau ihn dir wenigstens an. Da ist doch nichts dabei. Vielleicht sieht er ja ganz toll aus?«
»Es gibt Leute, die falsche Angaben machen, und welche, die falsche Bilder hochladen.«
»Und es gibt auch noch ehrliche Menschen auf der Welt.«
Melli schien eine unverbesserliche Optimistin. Vielleichthatte sie ja recht. Es war sicher falsch, jedem, der im Netz aktiv war, von Grund auf zu misstrauen.
»Darf ich ihn mir wenigstens ansehen?«, bat Melli.
»Meinetwegen. Die Adresse findest du bei den Lesezeichen.«
Melli hätte keine Ruhe gegeben, wenn sie ihr das nicht erlaubt hätte. Das wusste Alexia. Obwohl sie langsam selbst etwas neugierig wurde, wer sich hinter dem Pseudonym Lucky Luke verbarg.
»Ich brauche deine Hilfe, ich komme hiermit nicht klar.«
Alexia seufzte lange und gedehnt. Sie fragte sich ernstlich, ob Melli das mit Absicht machte. Doch die kleine Maus wirkte tatsächlich überfordert. Also erhob sie sich, ging zu ihrem
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