Teuflische Schwester
denn
für sich selbst. Sie drückte auf den Alarmknopf. Die
Nachtschwester würde gleich kommen.
Die Haustür fiel hinter Charles und Phyllis ins Schloß.
Impulsiv schloß Phyllis die Arme um ihren Mann und gab
ihm einen Kuß. »War es nicht herrlich?« fragte sie.
»Hätte der Abend denn vollkommener sein können?«
Er wäre vollkommen gewesen, wenn Melissa
dabeigewesen wäre, sinnierte Charles düster. Aber heute
wollte er Phyllis die Freude nicht mit seiner Traurigkeit
verderben. Er wollte ihr den Triumph gönnen. Einmal
wenigstens sollte sie sich in ihrem Ruhm sonnen dürfen.
Für die Realität war auch morgen noch Zeit genug.
Er wußte nämlich allzugut, daß sie Melissa mied, daß sie
eine Ausrede nach der anderen vorschob, um einem
Krankenhausbesuch zu entgehen.
Aber Melissa war nach wie vor ihre Tochter. Sie war
nach wie vor verantwortlich für sie, mochte ihr diese
Pflicht auch noch so abstoßend erscheinen.
Als spürte sie seine Gedanken, löste Phyllis sich aus der
Umarmung. Ihr seliges Lächeln erstarb. »Muß sie dir denn
sogar heute im Kopf herumgeistern?« klagte sie.
»Es tut mir leid«, sagte Charles. »Aber es tut mir
entsetzlich weh, daß sie nicht dabeisein konnte. Sie hatte
sich schon so lange auf diesen Ball gefreut.«
Phyllis stöhnte ungeduldig auf. »Sie weiß doch nicht
einmal, daß sie ihn verpaßt hat, Charles. Doktor Andrews
hat gesagt …«
Charles hielt beschwichtigend die Hände hoch. »Bitte,
keinen Streit heute nacht«, bat er. »Ich wollte das Thema
gar nicht erst anschneiden. Wollen wir nicht zu Teri
reinschauen? In ihrem Zimmer brennt noch Licht. Ich
kann mir nicht vorstellen, daß sie schon schläft. Sie könnte
zu uns auf einen Plausch runterkommen. Ich mache uns
einen Drink, und sie kann eine Cola haben.«
Phyllis’ Zorn war so schnell verraucht, wie er
gekommen war. Sie stürmte die Treppe hinauf, doch schon
aufdem Absatz oben spürte sie, daß etwas nicht stimmte.
Das Haus war so merkwürdig still.
»Charles?« rief sie. »Charles, komm bitte rauf.«
Charles eilte ihr nach. Ihm fiel auf, daß sie still auf den
Boden starrte. Sein Blick folgte dem ihren. Eine
dunkelrote Blutspur führte über den Boden.
Beunruhigt folgte er ihr bis zu Teris weit offenstehender
Tür. »Teri?« rief er. »Hast du was, Teri?«
Das Zimmer war leer. In der Mitte lag eine
zusammengeknüllte hellgrüne Masse auf dem Boden – das
Kleid, das Teri beim Ball getragen hatte.
Er starrte es benommen an, dann trat er hastig ins
Badezimmer.
Auch dort war niemand.
Er kam wieder heraus, trat auf den Flur und folgte der
Blutspur in umgekehrter Richtung.
Phyllis stolperte ihm heftig schluchzend nach.
Vor dem Treppenhaus, das zum Speicher führte, blieben
sie stehen.
Auch hier stand die Tür offen. Charles sah angestrengt in
die Dunkelheit nach oben. Phyllis klammerte sich an
seinen Arm. Er holte schließlich tief Luft und setzte sich
in Bewegung. Phyllis klammerte sich noch fester an ihn.
»N-nein!« stöhnte sie. »I-ich will nicht!«
»Wir müssen«, stieß Charles zwischen zusammengepreßten Zähnen hervor. »Es geht nicht anders. Wenn sie
da oben ist …«
Der Satz blieb unvollendet in der Luft hängen. Erneut
setzte er sich in Bewegung.
Fast schleifte er seine Frau hinter sich her. Als sie auf
dem Treppenabsatz oben neben ihm stand, tastete er nach
dem Lichtschalter.
Sie sahen es beide gleichzeitig – fünf Meter vor ihnen.
Das blutbefleckte weiße Kleid, in dem Melissa den
Polizisten zu Todds verstümmelter Leiche geführt hatte,
erblickten sie zuerst. Dann sahen sie Teri. Sie baumelte an
einem Dachsparren. Um ihren Hals war ein dickes Seil
fest verknotet.
Das Kleid glitzerte rot im kalten Licht der nackten Birne.
Zu Teris Füßen breitete sich eine Blutlache aus.
Ihr linker Arm hing schlaff herunter. Er endete in einem
Stumpf, aus dem noch immer Blut tropfte. Direkt unter
Teris leblosem Körper blitzte eine Klinge auf, das
Hackmesser.
Phyllis starrte auf Teris Gesicht. Die Augen quollen
daraus hervor und stierten sie anklagend an, die Lippen
waren zu einer grinsenden Grimasse verzerrt. Sie stieß
einen Schrei aus und sank zu Boden. Weinkrämpte
schüttelten sie am ganzen Körper.
Charles, der den grauenhaften Anblick im ersten Schreck
nur benommen registriert hatte, wurde mit einemmal
schlecht. Er würgte, beherrschte sich aber sofort wieder.
Er fuhr herum, polterte die Treppe hinunter und raste ins
Schlafzimmer, wo das Telefon auf dem
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