Teuflische Schwester
darüber
brauchen wir nicht zu sprechen, Brett. Die Vergangenheit
ist abgeschlossen, und die Geister sind alle weg.«
Brett schwieg eine Weile. »Würdest du mir eines
sagen?« wollte er schließlich wissen.
Melissa lächelte ihn verschmitzt an. »Vielleicht. Was
denn?«
Brett zögerte. Dann formulierte er die Frage, die ihn seit
fünf Jahren beschäftigte. »Es ist wegen D’Arcy. Glaubst
du … Na ja, glaubst du, daß es sie wirklich gab?«
Jetzt war es an Melissa zu verstummen. Schließlich
nickte sie. »Für mich existierte sie. Sie war ein Teil von
mir. Und am Ende existierte sie wohl auch für Teri.«
Brett runzelte die Stirn. »Sie hat sich doch umgebracht.«
»Vielleicht«, meinte Melissa in feierlichem Ton.
»Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht hat D’Arcy sie
umgebracht.«
Ganz der Musik hingegeben, tanzten sie weiter. Nach
dem letzten Takt verließen sie langsam das Parkett. Brett
stellte eine letzte Frage: »Was ist mit deiner Mutter? Was
ist aus ihr geworden?«
Für einen kurzen Augenblick schauderte Melissa, aber
sie schüttelte das Gefühl sogleich ab. »Ich weiß es nicht«,
erwiderte sie mit fester Stimme. »Und ich will es, ehrlich
gesagt, auch gar nicht wissen.«
Es stimmte. Mit dieser Nacht hatte sie die letzten Reste
der Vergangenheit endgültig abgestreift.
Dreitausend Meilen weiter, in den Hügeln westlich von
Los Angeles, saß Phyllis Holloway nervös auf einer
Stuhlkante und sah einer jungen Frau beim Lesen ihrer
Referenzen zu. Als die junge Frau lächelnd aufsah, atmete
Phyllis erleichtert auf. Es würde gutgehen.
»Schön«, sagte die junge Frau. »Alle waren ja
außerordentlich zufrieden mit Ihrer Arbeit. Und ich
glaube, Sie sind genau das, was wir suchen. Wollen Sie
mit nach oben kommen und sich unser Baby anschauen?«
Phyllis schlug das Herz höher. Schon beim Betreten des
Hauses vor zwei Stunden hatte sie ein gutes Gefühl
gehabt. Es war groß und geräumig und ganz oben auf
einem Hügel gelegen. Von der einen Seite hatte man einen
herrlichen Blick auf Los Angeles und von der anderen auf
das San Fernando Valley. Auf dem Grundstück gab es ein
Schwimmbecken, das Olympia-Ansprüchen genügt hätte,
zwei Tennisplätze und mehrere vorzüglich gepflegte
Ziergärten, die sie an ihr Zuhause erinnerten.
Ihr Zuhause.
Nur daß Maplecrest und Secret Cove nicht mehr ihr
Zuhause waren und es nie wieder sein würden. Sie hatte
sogar versprechen müssen, niemals an die Ostküste
zurückzukehren. Im Gegenzug wollte Charles auf eine
Anzeige wegen Kindesmißhandlung verzichten.
Als ob sie Melissa je etwas zuleide getan hätte! Allein
beim Gedanken daran kochte ihr das Blut über.
Sie hatte doch nie etwas anderes versucht, als Melissa
anständiges Benehmen beizubringen. Und welchen Lohn
hatte sie dafür bekommen? Nicht den geringsten Dank, auf
den sie doch den allerersten Anspruch hatte. Im Gegenteil
– wie die letzte Dienstbotin war sie aus dem Haus gejagt
worden. Scheiden hatte er sich von ihr lassen, mit einer
Abfindung, die gerade für ein Jahr gereicht hatte. Und
Melissa durfte sie nie mehr sehen.
Aber sie fiel immer wieder auf die Füße, und dieser Job
bei einem Rechtsanwalt mittleren Alters und seiner jungen
Frau, war genau das Richtige.
Sie durfte eine eigene Suite im ersten Stock bewohnen,
gleich neben dem Kinderzimmer. Familienanschluß
bekam sie hier auch.
Und wenn die Ehe ihr vorhersehbares Ende fand …
Sie verscheuchte den Gedanken. Die Frau – wie hieß sie
doch? Ach ja, Emily! – machte die Tür zum
Kinderzimmer auf. Aus dem Bettchen vor dem Fenster
kam ein leises Gurgeln. Phyllis schritt eilig durch den
Raum und beugte sich vor dem Baby, das in ihre Obhut
kommen sollte, nieder.
Zwei dunkelbraune Augen starrten groß und ernst zu ihr
empor. Das winzige Gesichtchen war fast vollkommen
rund. Nur mitten auf dem Kinn war ein tiefes Grübchen.
»Na, bist du nicht das süßeste kleine Ding, das ich je
gesehen habe?« gurrte Phyllis. Sie nahm das Baby aus
dem Bettchen und drückte es eng an sich.
Fast auf der Stelle brüllte das Baby los. Emily eilte
unverzüglich herbei, um es Phyllis aus dem Arm zu
nehmen. Aber Phyllis wandte sich mit ihm ab und
schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Es muß sich daran
gewöhnen, daß nicht nur seine Mutter es hält. Und ein
bißchen Weinen hie und da schadet einem Baby überhaupt
nicht. Das ist absolut normal.« Ihr Blick ruhte wieder auf
dem schreienden Säugling. Sie herzte es noch fester an
Weitere Kostenlose Bücher