Teuflische Schwester
hinabklettern können, keinen Sims, kein Rohr, keinen
Baum. Wenn sie sprang, brach sie sich unweigerlich die
Beine.
Sie wich vom Fenster zurück und ging noch einmal
durch den Qualm in Richtung Tür. Dabei trat sie auf etwas
Weiches.
Die Decke lag neben dem Bettpfosten. Sie riß sie an sich
und wickelte sie sich um den Körper. Wie Tom es kurz
vorher getan hatte, benutzte sie einen Zipfel als
Handschuh, um den glühend heißen Türgriff zu drehen.
Langsam atmete sie ein, bis die Lunge voll war. Die dick
gefütterte Bettdecke filterte den größten Teil des Rauchs
heraus. Die Angst drohte sie schon wieder zu
überwältigen, aber schließlich machte sie die Tür auf.
Durch den Luftzug erhielt das Feuer mit einem Schlag
neue Nahrung. Es saugte sie in sich auf und türmte sich
noch mächtiger vor Polly auf. Sein Prasseln schwoll zu
einem grauenerregenden Brüllen an.
Die Zeit schien stehenzubleiben. Jede Sekunde schleppte
sich wie eine Ewigkeit dahin.
Die Flammen züngelten an ihr hoch. Polly war zu
hilflos, um sich ihrem Griff zu entziehen. Lähmendes
Entsetzen ergriff sie mit eisernen Klauen. Sie spürte die
glühende Hitze im Gesicht, spürte sogar, wie sich
Brandblasen überall da bildeten, wo die nackte Haut dem
Feuer ausgesetzt war.
Dann hörte sie ein seltsam gedämpftes Geräusch. Es
erinnerte sie an das Zischen von Öl in der Bratpfanne.
Instinktiv griff sie nach ihrem Haar.
Es war verschwunden, von den gierigen Flammen
verschlungen. Mit ausdruckslosen Augen starrte sie einen
Augenblick lang die verkohlten Überbleibsel auf ihren
Fingerspitzen an. Was vor einer Sekunde noch dichtes
blondes Haar gewesen war, lag jetzt als sonderbar
schmierige Asche auf ihrer rußigen, mit Brandblasen
übersäten Haut.
Ihr Verstand sperrte sich gegen das, was sie da sah,
nahm die sengende Hitze einfach nicht wahr.
Sie taumelte zurück. Jetzt wickelte sich auch noch die
Bettdecke um ihre Füße, als hätte sie sich mit dem
mörderischen Feuer verbündet.
Schwach, wie von ganz weit weg, hörte sie Tom und
Teri rufen.
Von irgendwoher kam ein dumpfes Pochen. Vielleicht
hämmerte er gegen eine Tür.
Dann hörte sie nichts mehr.
Nichts außer dem Zischen und Prasseln der Flammen,
die vor ihr auf und ab tanzten, sie hypnotisierten.
Stolpernd und taumelnd wich sie weiter vor dem
tobenden Feuer zurück.
Etwas stand ihr im Weg, sie stieß mit dem Rücken
dagegen. Es war hart und unverrückbar. Sie starrte weiter
gebannt auf das Inferno, das inzwischen ins Schlafzimmer
eingedrungen war, griff aber mit der Hand hinter sich.
Und griff ins Leere.
Wieder packte sie Panik, denn mit einemmal schien sich
das Schlafzimmer aufzulösen und ließ sie einfach allein
mit den gefräßigen Flammen.
Langsam setzte ihr Verstand die Informationen Stück für
Stück zusammen, bis sie begriff, daß sie beim Fenster
angekommen war. Wimmernd setzte sie sich aufs
Fensterbrett und schwang nacheinander die Beine durch
die Öffnung, erst das rechte, dann das linke.
Endlich konnte sie die Blicke vom Feuer wenden und
drehte sich um. Sie hielt sich am Fensterrahmen fest und
starrte hinaus auf das noch schwache Grau der
Dämmerung. Dann wanderte ihr Blick nach unten zum
Betonboden.
Sie nahm allen Mut zusammen. Indem sie sich an die
Bettdecke klammerte, ließ sie sich über das Fensterbrett
gleiten.
Sie ließ los, doch im selben Augenblick verfing sich die
Bettdecke irgendwo mit dem Zipfel, der noch im Zimmer
gehangen hatte. Polly spürte den Ruck. Sie ertappte sich
dabei, wie sie sich die unsinnige Frage stellte, wo nur die
Decke hängengeblieben war.
Ob es wohl das Heizungsventil war?
Oder hatte sie sich an einem hervorstehenden Nagel
verfangen?
All das im Fallen! Plötzlich stürzte sie mit dem Kopf
voran weiter. Die Bettdecke blieb einfach hängen.
Vergeblich griffen ihre Finger nach der Bettdecke. Sie
entglitt ihnen, als wäre sie in Öl getränkt.
Kopfüber stürzte sie dem Beton entgegen. Sie streckte
die Arme aus, um den Aufprall abzumildern, als sie schon
mit dem Kopf auf dem Beton aufschlug.
Sie spürte nichts, nicht den geringsten Schmerz.
Sie empfand nur für einen ganz kurzen Augenblick
Überraschung und hörte ein leises Knacken in ihrem
Genick, als ihre Rückenwirbel brachen und das
Rückenmark zermalmt wurde.
Seit sie aufgewacht war und unter dem Eindruck des
Traums leise vor sich hingelacht hatte, waren keine drei
Minuten vergangen.
Jetzt hatte das Lachen ein Ende, und Polly MacIver war
tot.
Teri
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