Teuflische Schwester
dir anlegen.« Ihre Stimme stieg und fiel in einem
seltsamen Sprechgesang, als hätte sie ein Kleinkind vor
sich.
»Du warst heute sehr ungezogen, und wenn du
ungezogen warst, mußt du nur wieder schlafwandeln.
Streck die Hand aus.«
In Melissa stieg ein Heulen auf. Sie unterdrückte es
gewaltsam. Gehorsam wollte sie die Hand ausstrecken,
doch die Muskeln versagten ihr den Dienst.
»Die Hand!« forderte Phyllis und packte Melissa so grob
am Arm, daß das Kind vor Schmerz am ganzen Körper
zusammenzuckte. »Wie kannst du nur so dämlich sein?«
Noch einmal schrie die kleine Melissa um Hilfe. Und
diesmal vernahm sie D’Arcys Antwort. Von irgendwo
flüsterte sie ihr aus den Schatten der Nacht zu:
Schlaf, Melissa. Ich bin jetzt da, und du brauchst keine
Angst mehr zu haben.
Im selben Augenblick ließ Melissa sich in die
Dunkelheit fallen. D’Arcy war ja jetzt an ihre Stelle
getreten. Die Strafaktionen ihrer Mutter konnten ihr nichts
mehr anhaben. D’Arcy würde sie abblocken.
Phyllis hatte schon die Hand zum Schlag ausgeholt. Sie
ließ sie sinken, denn das widerspenstige Kind lag plötzlich
entspannt da und streckte die Arme aus.
Nacheinander fesselte Phyllis Melissas Handgelenke mit
den dicken Ledergurten an die Bettpfosten. Dann machte
sie das gleiche mit den Füßen. Zum Schluß deckte sie
Melissa mit dem dünnen Bettlaken zu.
»Heute nacht ist es ja sehr warm.« Ihre Stimme klang
auf einmal ganz sanft. »Eine Decke brauchst du wirklich
nicht. Schlaf gut.«
Sie beugte sich über Melissas Gesicht, streifte die Stirn
kurz mit den Lippen und ging. Leise zog sie die Tür hinter
sich zu.
Melissa lag auf ihrem Bett und schlief. D’Arcy freilich
blieb wach. Sie beobachtete das stumme Spiel der
Schatten an der Decke.
Dunkel zeichnete sich Maplecrest vor Teri ab. Sie blieb
stehen. Im fahlen Mondlicht wirkten die Umrisse des
Hauses noch gewaltiger. Hie und da leuchtete es hell aus
den Fenstern. Im Weitergehen spähte Teri neugierig auf
die vertäfelten Wände und die teuren Lüster hinter dem
Glas. Nichts, aber auch gar nichts, erinnerte sie an San
Fernando und das winzige Holzhaus, in dem sie
aufgewachsen war.
Trotzdem kam ihr die Szenerie seltsam vertraut vor, als
wäre sie nach einem längeren Auslandsurlaub
zurückgekehrt.
Hierher gehörte sie – soviel stand für sie fest. Sie hatte
den Tennisplatz erreicht und mußte gleich zum
Swimmingpool kommen. Plötzlich kam aus der
Dunkelheit ein leises Knurren.
Teri erstarrte. Nur ihre Augen bewegten sich unruhig.
Schließlich machte sie einen Schatten aus. Er war noch
dunkler als die Nacht um ihn herum.
Während sie ihn mit den Blicken fixierte, erhob sich das
Knurren erneut. Der dunkle Fleck bewegte sich langsam
auf sie zu.
»Blackie«, flüsterte sie in einem Anflug von Ärger vor
sich hin. Wie hatte sie sich von dem Hund nur so
erschrecken lassen können? Als er nahe genug war, trat sie
mit dem linken Fuß zu. Voller Genugtuung registrierte sie,
daß sie getroffen hatte. Der Labrador sprang jaulend
davon. In sicherer Entfernung kauerte er sich nieder und
beobachtete sie weiter mißtrauisch. Er knurrte nach wie
vor. Sein Fell hatte sich gesträubt.
Eine Sekunde später hörte sie eine Stimme wenige Meter
hinter sich. »Blackie! Blackie!«
Der Hund spitzte die Ohren und bellte einmal scharf.
Gleich darauf trat Todd aus dem Schatten der
Umkleidekabine. Er blieb überrascht stehen, als er Teri
erkannte. Blackie sprang auf und drückte sich an Todds
Beine. Die weiterhin aufgestellten Rückenhaare verrieten,
daß er sich noch nicht beruhigt hatte. Beruhigend
streichelte Todd seinen Hund. Als sein Herrchen die
verletzte Stelle berührte, winselte der Hund leise.
»Was zum Teufel ist da los?« wollte Todd wissen. Er
durchbohrte Teri förmlich mit den Blicken. »Hast du ihn
getreten?«
»Was hätte ich denn davon?« erwiderte sie.
»Er hat eine Verletzung abbekommen. Ich spüre ja, wie
die Beule schwillt.«
Teri schüttelte ungeduldig den Kopf. »Und wenn ich es
gewesen wäre? Er hat mich angeknurrt.«
»Mein Gott, dazu ist er ja da! Er soll das Grundstück
bewachen.«
»Er hätte mich genausogut beißen können! Außerdem
müßtest du ihn in der Nacht ohnehin einsperren. Am Ende
bekommen wir noch ein Gerichtsverfahren an den Hals,
wenn er jemanden anfällt.«
Todd kniff die Augen wütend zusammen. »Er ist ja
absolut gutmütig. Gebissen hat er noch nie. Er bellt
höchstens mal.«
»So wie er auf mich los ist, mußte ich
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