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Teuflische Schwester

Teuflische Schwester

Titel: Teuflische Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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uns – im Gegensatz zu Teri.«
Das Gespräch ging noch weiter, aber Teri hatte genug
gehört. Sie kroch wieder in den Schatten der Eiche und
schlich denselben Weg zurück, den sie gekommen war.
An den Strand wagte sie sich erst wieder, als sie außer
Sichtweite war.
Auf dem Heimweg ließ sie das soeben Gehörte nicht in
Ruhe.
Sie sollte also nicht zum Lagerfeuer eingeladen werden,
weil die anderen etwas gegen Melissa hatten.
Das war eine Gemeinheit! Sollte sie etwa auch ausgeschlossen werden, nur weil Melissa sich nicht anpassen
konnte? Melissa hatte doch ohnehin alles, was sie wollte.
Und das meiste hatte einmal ihr gehört.
Melissa hatte ihr Haus und sogar ihr altes Zimmer.
Und sie hatte ihren Vater!
Ein Bild blitzte wieder vor Teri auf: Melissa und ihr
Vater beugten sich über das Schachbrett und
konzentrierten sich nur aufeinander und auf ihr Spiel.
Ein Spiel, bei dem Teri nicht mitmachen konnte!
Und jetzt durfte sie mit den anderen nicht Freundschaft
schließen, obwohl sie eigentlich mit ihnen hätte
aufwachsen müssen!
Nein, sagte sie sich, als das große Haus wieder vor ihr
auftauchte, das war eine Gemeinheit.
Es war eine Gemeinheit, und so hatte sie es sich nicht
vorgestellt.
Und so hatte sie es auch gewiß nicht geplant.

7
    Mit einem dröhnenden Schlag setzte sich das Pendel der
großen Wanduhr in Bewegung. Phyllis sah zum
Schachspiel hinüber, das jetzt schon seit über zwei
Stunden im Gang war. Mißbilligend preßte sie die Lippen
zusammen. Wie konnten ihr Mann und ihre Tochter
einfach Stunde um Stunde dasitzen und auf nichts anderes
schauen als einen Haufen Figuren und ein schwarzweiß
kariertes Brett und das ohne auch nur ein Wort zu sagen?
Sie ging zu den Spielern hinüber und baute sich zwischen
ihnen und der Stehlampe auf. Statt des Lichts fiel ihr
dunkler Schatten auf das Brett. »Zehn Uhr«, verkündete
sie. »Du mußt ins Bett.«
    Melissa sah nervös vom Spiel auf. Erst sprang ihr Blick
zu Charles, dann wanderte er zu Phyllis. »Ein paar
Minuten noch, bitte. Gleich ist er matt.«
    Phyllis schüttelte den Kopf. »Du kennst die Regeln,
meine Liebe. Und du brauchst deinen Schlaf.«
»Aber ich brauche nur noch drei Züge«, bettelte Melissa.
»Schau, ich muß Daddys König nur noch in die Enge
treiben …« Sie verstummte, als ihr Vater seinen König auf
das Brett legte.
»Ich gebe auf. Warum soll ich mich unnötig quälen,
wenn ich ohnehin keine Chance mehr habe?« Er streckte
sich und sah seiner Tochter mit einem verzerrten Lächeln
ins Gesicht. »Langsam frage ich mich, ob es eine gute Idee
war, dir das Schachspielen beizubringen. Wie lange ist es
eigentlich her, daß ich dich zum letztenmal geschlagen
habe?«
Melissa stellte die Figuren wieder in die
Anfangsposition. Jede kam genau in der Mitte ihres
Quadrats zu stehen. »Dabei hättest du mich heute schlagen
können«, sagte sie. »Vor einer Stunde hattest du meine
Dame eigentlich schon in der Falle.«
»Wie das?«
Melissa machte sich daran, die Konstellation
wiederherzustellen, in der die Figuren sechzehn Züge vor
dem Ende gestanden hatten, doch ihre Mutter fuhr sie
scharf an:
»Jetzt aber Schluß damit! Einmal reicht. Sonst spielt ihr
mir noch die ganze Nacht.«
Melissa hielt inne. Die Dame ihres Vaters schwebte in
ihrer Hand über dem Schachbrett. Hoffnungsvoll sah sie
ihrem Vater in die Augen. Vielleicht durfte sie es ihm
doch noch zeigen. Aber da Charles den Kopf schüttelte,
fügte sie sich mit einem Seufzen.
Zehn Minuten später lag sie in ihrem Nachthemd auf
dem Bett. Den Kopf stützte sie am Kopfende ab, auf den
Knien hielt sie ein Buch. Durch die offenen Fenster kam
eine frische Brise herein. Die Luft war erfüllt vom Zirpen
der Grillen und dem friedlichen Plätschern der Wellen in
der Bucht. Melissa kuschelte sich gemütlich in ihr Kissen.
Sie kam in ihrem Buch aber nicht sehr weit, denn nach
wenigen Minuten ging die Tür auf. Erschreckt wollte sie
es schnell unter die Bettdecke stecken, doch zu ihrer
Erleichterung kam nur ihr Vater herein. Er setzte sich zu
ihr an den Bettrand.
» Ann Gables? « fragte er. »Zum wievielten Mal liest du
es denn jetzt?«
Melissa zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht genau …
Zum zehntenmal vielleicht. Es gefällt mir einfach. Ich bin
gerade bei der Stelle, an der Ann sich aus Versehen die
Haare grün färbt.«
Charles mußte lächeln. Ihm fiel wieder ein, wie gebannt
Melissa an seinen Lippen gehangen hatte, als er ihr das
Buch vor vier Jahren

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