Teuflische Stiche
nicht laufen und erst recht nicht in der Nähe des Friedhofs bleiben. Venske entschied, dem Melkweg zu folgen. Als er über die Bahnschienen lief, erinnerte er sich, dass sie hier vor wenigen Tagen den Freiherrn gesucht hatten.
***
»Lockern Sie den Draht!«
Pauschler kam zu Atem. Mit der Hand in der Hosentasche trat Konnert einen Schritt zurück, fummelte sein Handy heraus und telefonierte dann mit der Polizeiwache. Er beschrieb mit knappen Worten den flüchtenden Geiger und nannte die Adresse seiner Wohnung. Außerdem forderte er Streifenwagenbesatzungen an, um die Beschuldigten in Gewahrsam nehmen zu lassen.
Unmittelbar danach informierte er die Leitstelle der Feuerwehr. Als er seine Befürchtung äußerte, eine Person könnte mit tödlichen Viren infiziert worden sein, wurde er nach seinem vollen Namen, Geburtsdatum und Dienstgrad gefragt. Er hörte eine Tastatur klappern und Sekunden später die interne Alarmierung.
Der Diensthabende befahl ihm: »Niemand darf den Friedhof verlassen! Sind Ihre Kollegen alarmiert?«
»Ich habe Streifenbeamte angefordert.«
Damit war das Gespräch beendet.
***
»Fassen Sie mich nicht an«, schrie von Eck, als ihm einer der angerückten Beamten nahekam. »Ich laufe nicht weg. Aber fassen Sie mich nicht an.«
Die schöne Gertrud streckte einem Polizisten ihre Hände parallel entgegen und lächelte ihn an. »Ich mache gern neue Erfahrungen. Handschellen durfte ich bis jetzt noch nicht tragen. Bitte schön, Herr Wachtmeister.« Der erwiderte ihr Lächeln und zeigte auf die Bank. »Setzen Sie sich.«
»Das gibt ein Nachspiel.« Pauschler schrie Konnert an. »Mich hier in der Nähe eines Irren sitzen zu lassen. Erwürgen wollte der mich, der Spinner. Sie hätten ihn leicht erschießen können. Aber Sie hocken da auf einem Grabstein und hören sich in aller Ruhe seine Lügengeschichten an. Der ist doch nicht ganz dicht. Das wissen Sie ganz genau.«
Während ihm die Handschellen auf dem Rücken angelegt wurden, zeterte er weiter. »Ich will meinen Anwalt sprechen. Sie sagen mir nicht, was Sie mir zur Last legen. Ich habe Anspruch auf ein Telefongespräch. Sie müssen mir meine Rechte vorlesen.«
»Sie sehen zu viele amerikanische Krimis«, war der knappe Kommentar des Polizisten hinter ihm.
Auf einen Schlag war der Bereich um die Bank weiträumig in gleißendes Licht getaucht. Auf der Rampe der Friedhofsgärtnerei stand ein Löschzug, aus dem ein Lichtmast ausgefahren worden war.
Über den Friedhof kamen Rettungssanitäter mit einer fahrbaren Trage angelaufen. »Wer ist die infizierte Person?«
Konnert zeigte auf von Eck, der ruhig neben einem Polizisten stand. Als der Mann ihn am Arm fassen wollten, sagte er scharf: »Ich will nicht ins Krankenhaus. Ich will meinen Seesack holen und zurück in meine Wohnung.«
Mit einem Wink beorderte Konnert zwei weitere Polizisten zu von Eck. »Abführen!« Aber um seinen Widerstand zu brechen, musste ein vierter Beamter mit zupacken. So gelang es, ihm Handschellen anzulegen und ihn gemeinsam mit den Sanitätern wegzuführen.
»Ist noch eine Person verletzt worden?«
Niemand meldete sich.
»Hier wird abgesperrt.« Hinter sich hörte Konnert Kommandos. »Treten Sie zurück. Verlassen Sie den Friedhof. Sofort. Zertrampeln Sie doch die Gräber nicht.« Er konnte sich vorstellen, wie Kollegen die Neugierigen zurückzudrängen versuchten, die sich, geweckt von Martinshorn und Blaulicht, notdürftig bekleidet, mitten in der Nacht hier eingefunden hatten. Die schnell gespannten rot-weißen Flatterbänder zwischen Büschen und Gräbern würden sie nicht abhalten.
Als hätte man einen Schalter umgelegt, so plötzlich kam die Müdigkeit. Konnert holte seine Uhr aus der Hosentasche. Drei Uhr.
Die beiden Polizisten hielten Pauschler zwischen sich. Den hatten sie zur Ruhe gebracht, indem sie ihm auseinandergesetzt hatten, was es ihn kosten würde, wenn er mit seinen Beschimpfungen nicht aufhörte. Die anderen Beamten blockierten verunsichert rechts und links die Wege. Einer steckte sich nervös eine Zigarette an.
Konnert schlurfte zur Bank am Zaun. Auf ihr saß die schöne Gertrud und beobachtete das Geschehen um sie herum. Er ließ sich neben sie auf die Bretter fallen.
»Wenn es Sie nicht stört …«
»Rauchen Sie nur. Aber ich gehe jetzt.« Sie erhob sich und balancierte über eine Grabeinfassung zum Ausgang. Dort nahm ein Polizist sie in Gewahrsam.
Konnert paffte und kämpfte gegen den Wunsch an, die Augen zu schließen und zu
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