Teuflische Stiche
vergangenen Mittwoch vornübergebeugt gehockt hatte, musste er sich setzen. Ich war mir so sicher, Adi hier in einer schwierigen Lage zu finden. Bin ich zu spät?
Seine Taschenlampe strahlte auf. Er suchte nach Spuren. Im Gebüsch hinter der Bank lagen ein gebrauchtes Kondom und eine zerknüllte Marlboro-Schachtel. Nicht nur Konnert findet hier ungestörte Entspannung, dachte er und leuchtete hinüber zum ausgesparten Kreuz in den Steinplatten und über das Urnenfeld. Weit hinten, unter Büschen blitzte das Augenpaar einer Katze oder eines Marders auf. Er betrat den Rasen. Das Tier verschwand. Venske löschte enttäuscht sein Licht.
Im großen Bogen, an der Autobahn entlang, bewegte er sich zur anderen Seite des Friedhofs. Irgendwo musste sich Konnert ja mit seinem Besuch aufhalten. Wieder kam ihm der Gedanke, er könnte zu spät gekommen sein.
Hier waren die Wege erdig. Er nahm sich nicht mehr so in Acht beim Auftreten, ging aber langsam und blieb in kurzen Abständen stehen, um besser horchen zu können. Als er keine andere Wahl hatte, als abzubiegen, meinte er eine Stimme zu vernehmen. Instinktiv duckte er sich und schlich bis zur nächsten Wegkreuzung. Die Stimme klang bedrohlich. Sie kam von links. Er reckte sich, um über die Grabbepflanzungen sehen zu können. Hinter einer braungrünen Hecke bewegte sich eine Lichtquelle. Da sind sie also. Venske atmete auf.
Er schätzte die Entfernung auf fünfzig Meter. Vielleicht etwas mehr. Gebückt, ohne die Knie durchzudrücken, schlich er an der linken Seite des breiten Wegs vorwärts. In jeden schmalen Seitenpfad sah er hinein. Seine Oberschenkelmuskulatur schmerzte. Dann sah er eine Person, die er aus der Zeitung kannte, neben Geiger sehr gerade auf einer Bank sitzen und hinter ihnen den Freiherrn und die schöne Gertrud. Was machen die da, und wieso ist Konnert nicht bei ihnen auf der Bank?
Venske wartete. Nach Augenblicken, die ihm endlos erschienen, fragte er sich, warum er nicht losstürmte, sondern seine Aktion aufschob?
***
Pauschler schob seine Hand in die linke Manteltasche. Der Mann wird doch nicht etwa frieren?, dachte Konnert.
»Warum zögern Sie?«, ereiferte sich von Eck, »erledigen Sie Ihre Arbeit, Herr Kommissar.«
In diesem Moment riss Pauschler die Hand mit der Spritze hoch und stach wahllos hinter sich. Er traf von Eck mehrfach. Der schrie auf, lockerte für einen Moment den Draht, zog ihn dann aber wieder mit aller Kraft stramm.
»Und wenn ich dabei draufgehe. Du entwischst mir nicht!«
Teuflische Stiche. Die Worte aus Stephanies Bericht schossen Konnert durch den Kopf. Er riss sich von Wachsmuth los und stieß sich vom Grabstein ab. Sein Fuß verhakte sich in der Buchsbaumeinfassung. Er kam ins Stolpern, fing sich und stürzte auf Pauschler zu. Beherzt griff er zu, bekam Pauschlers Hand zu fassen und bog dessen Arm zur Seite. Röchelnd ließ der die Spritze fallen.
Die schöne Gertrud hatte alles erschrocken beobachtet. Geiger nutzte ihre Verwirrung. Er wirbelte herum, und ehe sie die Garrotte zuziehen konnte, stieß er sie gegen den Zaun. Sie ließ einen Griff los, taumelte, strauchelte und fiel zurück. Nur mit Mühe konnte sie sich am Maschendraht festhalten. Das Folterinstrument landete im Gebüsch.
Von Eck ließ sich nicht ablenken. Er hielt den Draht gespannt. Pauschlers Beine strampelten in der Luft. Langsam erlahmten die Bewegungen. Er sackte auf der Bank zusammen.
Geiger floh quer über Gräber auf die Kirche zu.
Im Schatten eines mannshohen Lebensbaums stand Wachsmuth und rührte sich nicht.
***
Dich kriege ich. Venske spurtete los. Er knipste die Taschenlampe an, konnte Geiger aber nicht sehen. Wechselte die Lampe in die linke Hand, öffnete seinen Mantel und griff nach hinten an seinen Gürtel, um das Handy hervorzuholen. Warte, befahl er sich und blieb stehen. Statt die Kurzwahltaste für Konnert zu drücken, erwischte er eine andere Zahlenkombination. »Mach schon! Nimm ab!«, flüsterte er. Es meldete sich eine verschlafene Frauenstimme. Er drückte die Verbindung weg, kam aber nicht dazu, es noch einmal zu versuchen. Geiger kreuzte kurz den Weg und verschwand wieder zwischen den Grabsteinen und immergrünen Gehölzen. Venske hetzte hinter ihm her den Weg entlang bis zur Friedhofsmauer, dann nach rechts, und als er auf dem Platz vor der Kirche ankam, war Geiger verschwunden. Auf der Straße war er auch nicht. Weder links in der Rauhehorst noch auf der Kreuzung Friedhofsweg/Melkweg.
In die Stadtmitte wird er
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