Teuflische Stiche
könne das schon aushalten.«
»Wie konnten die drei in Ihre Wohnung gelangen?«
»Renate hat einen Schlüssel gehabt.«
»Warum?«
»Ich bin nicht immer in dieser Wohnung. Dann konnte sie da schlafen. Es ist ein Angebot von mir gewesen.«
»Sie haben ihr vertraut?«
»Warum sollte ich nicht? Ihr einziger Fehler ist ihr Alkoholismus gewesen. Wenn Sie mit so einem Subjekt wie dem Dreher verheiratet wären, fingen auch Sie an zu trinken. Ausgenutzt hat er ihre Gutmütigkeit. Sie geht putzen, und er liegt auf der faulen Haut. Sie kümmert sich um ihn, und er verachtet sie dafür. Sie steckt seine Schläge ein, und er meint, sie brauche wohl öfter eine Abreibung. Da bleiben einem doch nur Schnaps und Bier.«
Konnert kannte einige Alternativen zum Alkohol, sagte aber nichts, sondern fragte stattdessen: »Frau Dreher soll viel Geld besessen haben.«
Von Eck schwieg.
»Der Ehemann der Toten sagt aus, er habe zweitausend Euro von seiner Frau erhalten. Davon habe er zum Beispiel einen Fernseher gekauft.«
»Darüber kann ich nichts sagen.«
Gern hätte Konnert in scharfem Ton nachgefragt, wozu von Eck nichts sagen könne, ließ es aber und fragte Unverfängliches: »Ihre Wohnung hat nur so vor Sauberkeit geblitzt. Selbst die Abseite hat nach Putzmitteln gerochen. Warum?«
»Ich mag es sauber. So sieht es bei mir immer aus.«
»Klinisch rein?«
»Was ist daran falsch? Sie mögen es bestimmt auch lieber gepflegt und wohlriechend als verdreckt und stinkend.«
»In Ihrem Abfalleimer hat hingegen Durcheinander geherrscht.«
»Nicht doch. Was man nicht mehr braucht, lässt man nicht rumliegen. Man wirft es in den Müll. Das ist normal. Oder?«
»Nein, bei mir ist es nicht so, dass fast neue Unterwäsche zusammen mit Wattestäbchen entsorgt wird.«
»Ich wasche niemals Kleidung.«
»Warum nicht?«
»Das geht Sie nichts an.« Eine Pause trat ein. Der Wind ließ nach. Am Himmel erschienen Sterne in Wolkenlücken. Konnert lauschte einen Moment auf die Geräusche von der Autobahn und überlegte seine nächsten Fragen.
»Stört es Sie, wenn ich meine Pfeife wieder anstecke?«
»Wenn Sie mir den Rauch nicht ins Gesicht blasen, ist es mir egal. Machen Sie nur.«
Während er seine Pfeife präparierte, fragte Konnert: »In welcher Beziehung haben Sie zu Frau Dreher gestanden?«
»Wie meinen Sie das?«
»Ist sie Ihre Geliebte gewesen? Eine gute Freundin? Eine Hilfsbedürftige?«
»Ich würde sagen, sie ist eine gute Freundin gewesen, der ich bisweilen behilflich sein konnte.«
»Wobei zum Beispiel?«
Die Antwort kam erst nach einer Denkpause. »Renate hat gesundheitliche Probleme als Folge ihres Alkoholmissbrauchs gehabt. Ich habe sie beraten.«
Konnerts Feuerzeug flammte auf. Er hielt es so, dass von Ecks Gesicht beschienen wurde. Lag Gelassenheit in seinen Gesichtszügen? Oder Gleichgültigkeit? Oder Verschlagenheit? Rauch entwich in einer feinen Fahne aus Konnerts gespitzten Lippen. Er wartete und hatte Glück, von Eck sprach ungefragt weiter.
»Ich bin kein Mediziner.«
Aber einer mit Grundkenntnissen in der Pharmakologie, ergänzte Konnert in Gedanken.
»Renate ist unter starken Schmerzen gestorben. Ihre inneren Organe haben versagt. Eine Einweisung ins Krankenhaus hat sie abgelehnt, und einen Arzt durfte ich auch nicht rufen. Lass mich sterben, hat sie wohl hundert Mal und öfters gestöhnt. Lass mich einfach sterben. Ich bin dieses Leben leid. Ich hab die Schnauze voll. Ich bin lange genug Fußabtreter für andere gewesen. Vielleicht bekomme ich es im nächsten Leben leichter. Lass mich sterben. Ich mag nicht mehr. So hat sie mich angefleht, wenn die Schmerzen etwas nachgelassen haben.«
Konnert schwieg.
»Hätte ich gegen ihren Willen einen Arzt rufen müssen? Was meinen Sie, Herr Konnert?«
»Wenn Frau Dreher aufgrund ihrer Erkrankung und ihrer Hoffnungslosigkeit so eindeutig Hilfe abgelehnt hat, haben Sie wohl richtig gehandelt. Das ist meine Meinung.«
Während Konnert in die Dunkelheit stierte, dachte er an seine Frau, die nach der zweiten Chemotherapie vehement jede weitere Behandlung von sich gewiesen hatte. Nur Schmerzmittel hatte sie akzeptiert und war ein paar Monate später friedlich in seinen Armen gestorben.
»Könnte es sein, dass Frau Dreher absichtlich ihrem Leben ein Ende gesetzt hat?«
»Sie meinen, sie hat Selbstmord begangen?«
»Das meine ich nicht. Es ist nur eine Frage.«
»Das kann ich mir nicht vorstellen. Früher hat sie irgendwie an ihrem Leben gehangen und gehofft, es
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