Teuflische Versprechen
Sauerstoffmangels eingegangen.
Durant passierte die Kontrolle am Eingang und begab sich in ihr Büro. Sie warf einen Blick bei Berger hinein, der hinter seinem Schreibtisch saß und in der
Frankfurter Rundschau
blätterte, die
Bild
-Zeitung lag bereits ausgelesen neben ihm.
»Morgen«, begrüßte er Julia Durant und faltete die Zeitung zusammen. »Bereit fürs Gericht?«
»Auch guten Morgen. Und Ihre Frage erübrigt sich wohl, oder? Tschuldigung, aber es stinkt mir gewaltig, um ehrlich zu sein. Ich bin mir fast sicher, dass er’s nicht war. Aber der liebe Herr Staatsanwalt beruft sich eben auf die ersten Aussagen. Und wenn’s hart auf hart kommt, zerpflückt er mich in meine Bestandteile, ohne dass ich auch nur das Geringste dagegen machen kann. Ich hätte eben doch Urlaub nehmen sollen.«
»Das hätte Sie auch nicht vor dem Termin bewahrt, das wissen Sie so gut wie ich. Was macht Sie denn so sicher, dass er’s nicht war?«
»Wir haben doch oft genug darüber gesprochen«, seufzte sie und setzte sich. »Er ist ein geistig zurückgebliebener Geschichtenerzähler, der einfach zu viel Phantasie hat. Wir haben bis heute keine Leiche, kein Kleidungsstück, nicht einmal eine winzige Spur. Und Sie wissen so gut wie ich, dass einer wie er nicht in der Lage ist, derart clever vorzugehen, eine Leiche so verschwinden zu lassen, dass weder unsere Leichenspürhunde noch die Tornados, noch mehrere Hundertschaften sie finden. Vor mehr als drei Jahren ist Larissa spurlos verschwunden, wir haben wochenlang jeden Quadratzentimeter in einem Umkreis von zehn Kilometern durchkämmt.« Sie fuhr sich mit einer Hand durch ihr volles dunkles Haar. »Ich gehe immer noch davon aus, dass sie entführt wurde. Gestern habe ich noch einmaldie Akten studiert, da sind mir einfach zu viele Ungereimtheiten drin. Es gibt zwei Zeugen, die unter Eid ausgesagt haben, zum Zeitpunkt des Verschwindens einen blauen Golf mit einem ausländischen Kennzeichen gesehen zu haben. Und dann mit einem Mal wird uns von Nachbarn gesteckt, dass unser Mann dafür bekannt sein soll, sich in der Vergangenheit an Jungs rangemacht zu haben. An Jungs, nie aber an Mädchen. Doch wir haben nur einen Jungen, der behauptet, dass er sich von ihm belästigt fühlte, aber er wurde nie von ihm angerührt. Nur die Presse hatte plötzlich jemanden, an dem sie sich festbeißen konnte, wir wurden damit unter Druck gesetzt, und die Staatsanwaltschaft hat sich diesem Druck gebeugt. Es ist ein einfaches, aber effektives Spiel. Man hat den üblichen Verdächtigen, in Wirklichkeit ist er nur ein Bauernopfer.«
»Aber er hat doch Details geschildert, die eigentlich nur der Täter wissen kann, zum Beispiel, was die Kleine an dem Tag anhatte«, warf Berger ein, der selbst Zweifel hatte, ob dieser bullige junge Mann, der Probleme hatte, sich auszudrücken, der manchmal bei den Verhören gar nicht richtig mitbekommen hatte, was er eigentlich gefragt wurde, wirklich ein Mörder war. Doch er war bekannt dafür, dass er sich gerne in der Nähe von Kindern aufhielt, und er hatte ein Geständnis abgelegt, das er allerdings später widerrief.
»Ja und? Er hat sie vielleicht gesehen und sich einiges gemerkt. Außerdem wurde er während der ersten Verhöre, die von keinem aus unserer Abteilung durchgeführt wurden, massivst unter Druck gesetzt, das hat mir unser Kollege Käffler berichtet, der dabei war und inzwischen ebenfalls Zweifel anmeldet. Sie kennen doch dieses Spiel mit den Suggestivfragen und den stundenlangen Verhören, denen im Ernstfall auch der Stärkste nicht gewachsen ist. Mein Gott, im ersten Moment wollte er sich wichtig machen, was typisch für einen wie ihnist, dem sonst kaum einer Beachtung schenkt. Er stand auf einmal im Mittelpunkt, war sich aber der Tragweite seiner Aussage nicht im Klaren. Kein Wunder bei einem IQ von kaum achtzig. Erst als sein Anwalt ihn darauf aufmerksam gemacht hat, hat er alles abgestritten. Ich kann Ihnen sagen, wie das ausgeht. Man verurteilt ihn zu lebenslänglich, um die Öffentlichkeit zu beruhigen, und steckt ihn vermutlich in die Klapse, wo er den Rest seines Lebens verbringen wird. Dass er sich in der Vergangenheit nur an Jungs rangemacht hat, was nicht einmal erwiesen ist, wurde vom Gericht bis heute nicht zur Sprache gebracht, und wenn der Verteidiger darauf hinwies, wurde das praktisch unter den Tisch gekehrt. Der hatte noch nie auch nur das Geringste mit Mädchen im Sinn. Außerdem wird ihm von zwei unabhängigen Gutachtern ein eher
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