Teuflischer Sog
hatte. Mit anderen Worten: Er hätte sich eigentlich denken müssen, dass jemand wie Espinoza den Kommandanten des örtlichen Polizeireviers kannte.
In wenigen Sekunden würden alle drei Wagen die Verfolgung aufnehmen, und die Beschreibung des kleinen Mitsubishi wäre über den Polizeifunk in ganz Buenos Aires zu hören. In einem Punkt hatte er absolut recht gehabt. Tamara aus dem Apartment herauszuholen war der leichtere Teil ihres nächtlichen Jobs.
Sie bogen in eine enge Gasse ab, und da sagte Juan »Jetzt« zu Mark Murphy.
Murph hatte die Fenster auf seiner Seite bereits herunterfahren lassen, und nun zog er so schnell er konnte Stifte aus Rauchgranaten heraus. Sie waren Eigenkonstruktionen der Corporation und erzeugten einen schneller aufsteigenden und dichteren Rauch als sogar die Granaten, die beim US-Militär in Gebrauch waren. Nachdem die dritte auf die Straße geflogen war, konnte Juan hinter ihnen nichts mehr sehen – außer einem dichten Nebel, der sogar die Straßenlampen und die Lichter in den Fenstern im zweiten und dritten Stock verhüllte.
»Das reicht«, sagte Juan und wechselte mehrmals die Fahrtrichtung, indem er wahllos in Seitenstraßen abbog. Seine Kehle war staubtrocken. Doch seine Hände lagen locker auf dem Lenkrad, und seine Konzentration ließ keinen Deut nach.
»Nur so aus Neugier«, meldete sich Linc vom Rücksitz. »Weiß jemand, wo wir sind?«
»Linda?«, sagte Cabrillo.
Sie hatte ein Hand-GPS und studierte aufmerksam das Display. »Ja, ich habe sogar eine ziemlich genaue Vorstellung: Wir fahren in Richtung Hafen, aber vor uns befindet sich ein regelrechtes Straßenlabyrinth. Wir müssen uns links halten, denn dort verläuft eine ziemlich breite Avenida.«
Der Straßenkreuzer tauchte ohne Vorwarnung aus einer Querstraße auf. Er setzte sich hinter die Limousine und übte bei dem Manöver so viel Druck auf Federung und Räder aus, dass sich eine Radkappe löste und wie eine Frisbeescheibe davonwirbelte. Der Fahrer kannte diese Gegend sogar besser als die Polizei, die dort Streife fuhr, und hatte Cabrillo ausgetrickst.
Schüsse spuckten aus dem Beifahrerfenster, aus dem sich ein Leibwächter mit einer großkalibrigen Pistole in der Hand lehnte. Linc drehte seinen massigen Körper und jagte ein ganzes Magazin aus seiner Maschinenpistole heraus. Die Gummigeschosse waren gegen den Cadillac zwar praktisch wirkungslos, aber der psychologische Schock einer Maschinenpistolenattacke zwang den Fahrer, scharf zu bremsen und das Lenkrad herumzureißen. Der Straßenkreuzer schrammte an einer langen Reihe geparkter Automobile entlang und entfesselte eine Kettenreaktion kreischender Alarmsirenen und hektisch blinkender Scheinwerfer.
Linc ließ die H&K fallen und zog seine Beretta aus dem Holster. Wenn der Cadillac gepanzert war, würde die Pistole zwar auch nicht mehr Schaden anrichten als die Gummigeschosse, aber es war immerhin besser als nichts.
»Wie wäre es mit mehr Rauch?«, fragte Mark.
Diese Straße war zu breit, um sie mit den Granaten zu blockieren, daher sagte Juan nichts, sondern achtete weiter auf die Rückspiegel.
Als der Cadillac die Verfolgung erneut aufnahm, wurde er von einem Streifenwagen begleitet. Dutzende waren jetzt sicherlich schon in den eleganten Straßen des Recoleta-Distrikts unterwegs. Also mussten sie den Wagen unbedingt loswerden und sich einen neuen suchen.
Links von ihnen befand sich eine Baustelle. Die Straße war von großen gelben Baggern aufgerissen worden, und ein Gerüst verhüllte die Fassade eines Säulenbaus wie ein Spinnennetz. Juan schaute genauer hin und erkannte, dass es eine große, reich geschmückte Toreinfahrt war. Er vermutete, dass sich hinter den geschlossenen Torflügeln ein ausgedehnter Park erstreckte, und steuerte darauf zu, wobei er aus dem kleinen Vierzylindermotor alles herausholte, was in ihm steckte.
Dank seines hohen Gesamtgewichts blieb der Wagen sogar auf dem schlammigen Untergrund in der Spur, und Juan richtete die Nase auf sein neues Ziel aus.
»Haltet euch fest!«
Sie rauschten durch das Holzgerüst, federten auf einer niedrigen Stufe hoch und krachten gegen das Tor. Cabrillo hatte mit einem verheerenden Aufprall gerechnet, aber die Torflügel wurden offenbar gerade repariert und waren am Ende der Arbeitsschicht nur an Ort und Stelle angelehnt worden. Die Kette, die sie zusammenhielt, brach zwar nicht, aber die reich verzierten schmiedeeisernen Tore kippten krachend um, und der Mitsubishi röhrte über sie hinweg.
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