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Teuflischer Sog

Teuflischer Sog

Titel: Teuflischer Sog Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler
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Leute ihm Vorschriften machten.
    »Eine Schlechtwetterfront ist im Anzug«, erwiderte der silberhaarige Wissenschaftler und Exhippie. »Und zwar eine ziemlich heftige. Sie wird wohl die halbe Antarktis mit Neuschnee zudecken.«
    Gangles lippenloser Mund verzog sich in echter Besorgnis. »Aber das hat doch wohl keinen Einfluss auf unsere Abreise, oder?«
    »Es ist noch zu früh, um das zu entscheiden, aber möglich wäre es schon.«
    Andy nickte. Aber nicht so, als verstünde er, sondern eher geistesabwesend, so als wäre er dabei, die Gedanken in seinem Kopf neu zu ordnen. Dann ging er weiter zur Küche.
    »Wie hast du geschlafen?«, fragte Gina Alexander. Mitte vierzig und geschieden, war sie aus Maine in die Antarktis gekommen, um, wie sie es ausdrückte, »die Ratte und seine neue kleine Miss Luxuskörper so weit wie irgend möglich hinter sich zu lassen«. Sie gehörte nicht zu dem Forscherteam, sondern arbeitete für die Betreiberfirma, die man engagiert hatte, um WeeGee störungsfrei in Gang zu halten.
    »Genauso wie in der Nacht davor«, antwortete Andy und füllte eine Tasse mit Kaffee aus der Edelstahlkanne am Ende der Cafeteriatheke.
    »Das hör ich gerne. Wie möchtest du die Eier?«
    Er sah sie an, seine Miene wirkte fast raubtierhaft wild. »Flüssig und kalt, wie immer.«
    Sie war sich nicht sicher, wie sie das verstehen sollte. Andy sagte gewöhnlich nie mehr als gerührt, ehe er sein Essen und seinen Kaffee auf ein Tablett stellte, um es in sein Zimmer mitzunehmen und dort zu essen. Sie kicherte freudlos. »Mann, du bist heute Morgen ja ein richtiger Sonnenschein.«
    Er beugte sich über das Gestell mit den Essenstabletts und sprach so leise, dass ihn niemand sonst im Gemeinschaftsraum hören konnte. »Gina, wir haben nur noch eine Woche, bevor wir von hier verschwinden können, daher gib mir lediglich mein verdammtes Essen und behalt deine Kommentare für dich. Okay?«
    Gina, die nicht zu der Sorte gehörte, die sich so leicht einschüchtern ließ – ihr Ex konnte ein Lied davon singen –, beugte sich vor, so dass ihre Gesichter nur wenige Zentimeter voneinander entfernt waren. »Dann tu dir selbst was Gutes und schau mir beim Kochen ganz genau zu, sonst könnte ich vielleicht in Versuchung geraten und dir in dein Essen spucken.«
    »Das würde den Meschgack nur verbessern.« Andy richtete sich auf und verzog das Gesicht, als dächte er einen Augenblick angestrengt nach. »Schmegack? Nein, verdammt noch mal. Schgemack? Geschmack. Das ist es. Es würde den Geschmack wahrscheinlich verbessern.«
    Gina hatte keine Ahnung, was da in ihn gefahren sein mochte, aber sie lachte dennoch. »Sonnyboy, du musst schon ein wenig schneller denken, wenn deine Beleidigungen treffen sollen.«
    Anstatt noch länger an der Theke herumzuhängen und sich dämlich vorzukommen, nahm sich Andy eine Handvoll Müsliriegel von der Theke und schlurfte aus dem Raum, wobei er die Schultern so hochzog, dass er von hinten wie ein Geier aussah. In seinen Ohren hallte der Abschiedsruf »verdammter Psycho-Freak!« noch für einige Sekunden nach.
    »Sieben Tage, Andy«, murmelte er vor sich hin, während er zu seinem Zimmer zurückkehrte. »Reiß dich nur noch für sieben Scheißtage zusammen, und du kannst diesen Wichsern für immer auf Wiedersehen sagen.«
    Vierzig Minuten später, eingewickelt in sechs Schichten Kleidung, schrieb Andy seinen Namen auf das Whiteboard an der Wand neben der Kälteschleuse und trat durch die dick isolierte Tür. Der Temperaturunterschied zwischen dem Inneren der Station und dem kleinen Vorraum, durch den man zum Ausgang gelangte, betrug sage und schreibe dreißig Grad. Gangles Atem verwandelte sich in eine milchige Wolke, die so dicht wie der heftigste Londoner Nebel war, und jeder Atemzug kam ihm wie ein Messerstich in seine Lungen vor. Er wartete ein paar Minuten lang, um seine Kleidung zu überprüfen und die Schutzbrille aufzusetzen. Während es auf der Antarktischen Halbinsel verglichen mit dem Landesinneren des Kontinents relativ warm war, würden auf jedem Fleckchen unbedeckter Haut trotzdem sofort Frostbeulen entstehen.
    Sämtliche Kleidung der Welt reichte nicht aus, um die Kälte abzuhalten, jedenfalls nicht für längere Zeit. Der Wärmeverlust war unvermeidlich und – bei dem herrschenden Wind – auch unerträglich. Es begann an den Extremitäten: an der Nase, den Fingerspitzen und den Zehen; und dann drang es nach innen vor, während sich der Körper nach draußen abschottete, um seine

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