Teuflischer Sog
konnte, daher bat er stattdessen um Details über den genauen Ort, wo die Rakete explodiert war, und über die Bahn ihres Absturzes zur Erde. Er nahm eine kabellose Tastatur und eine Maus von einem Tablett unter der Schreibtischplatte, wodurch ein Funkimpuls ausgelöst wurde, der einen Flachbildschirm aus der Schreibtischplatte hochfahren ließ. Overholt schickte per E-Mail Bilder und Zielgebietskoordinaten. Die Bilder waren wertlos und zeigten nichts außer einer dichten Wolkendecke, doch die NASA hatte ein etwa dreizehn Quadratkilometer großes Suchgebiet bestimmt, das sich mit einer systematischen Suche durchaus bewältigen ließ, vorausgesetzt das Gelände bereitete ihnen keine größeren Probleme. Overholt wollte von Cabrillo wissen, ob er schon irgendeine Idee habe, wie sie unbemerkt auf argentinisches Territorium vordringen wollten.
»Ich möchte mir zuerst einige topographische Karten ansehen, bevor ich diese Frage beantworten kann. Spontan fällt mir dazu natürlich ein Hubschrauber ein, aber da die Argentinier ihre militärische Präsenz an der nördlichen Grenze zurzeit aufstocken, wird das wohl nicht möglich sein. In ein oder zwei Tagen dürfte ich mir sicherlich etwas ausgedacht haben und bis zum Wochenende so weit sein, es auch auszuführen.«
»Ach ja, eine Sache noch«, sagte Overholt so beiläufig, dass sich Cabrillo sofort anspannte. »Ihr habt zweiundsiebzig Stunden Zeit, um die Energieeinheit zu bergen.«
Juan konnte es nicht glauben. »Drei Tage? Das ist unmöglich.«
»Nach zweiundsiebzig Stunden will der Präsident auspacken. Na ja, zumindest teilweise. Er wird wohl nichts von dem Plutonium verlauten lassen, aber er ist bereit, die Argentinier um ihre Mithilfe bei der Bergung von, ich zitiere, empfindlichem wissenschaftlichem Gerät zu bitten.«
»Und wenn sie nein sagen und selbst danach suchen wollen?«
»Bestenfalls stehen wir ziemlich dumm da, und schlimmstenfalls erscheinen wir in den Augen der Welt sträflich nachlässig. Außerdem überlassen wir Generalissimo Corazón eine hübsche Portion waffenfähiges Plutonium zum Spielen.«
»Lang, gib mir sechs Stunden. Ich melde mich dann wieder bei dir und sage dir, ob wir bereit – verdammt – ob wir in der Lage sind, uns an deinem Spiel zu beteiligen.«
»Danke, Juan.«
Cabrillo rief Overholt nach einer dreistündigen Strategiekonferenz mit seinen Abteilungsleitern an und stand zwölf Stunden später mit seinem Team am Ufer eines paraguayischen Flusses, bereit und im Begriff, in Gott weiß was vorzustoßen.
2
Wilson/George-Forschungsstation Antarktische Halbinsel
Das Stammpersonal der Winterbesatzung konnte den herannahenden Frühling bereits in den Knochen spüren. Nicht dass sich das Wetter wesentlich gebessert hatte. Die Temperatur stieg nur selten höher als zwanzig Grad minus, und der eisige Wind wehte ständig. Es war die wachsende Zahl von Kreuzchen auf dem großen Kalender im Gemeinschaftsraum, die die verstreichenden Tage markierten und ihre Lebensgeister nach einem langen Winter beflügelten, in dessen Verlauf sie die Sonne seit dem vergangenen März nicht mehr gesehen hatten.
Nur ein paar Forschungsstationen bleiben auf dem unwirtlichsten Kontinent der Welt während des ganzen Jahres geöffnet und in Betrieb, und sie sind gewöhnlich viel größer als die Wilson/George-Forschungsstation, die von einem Zusammenschluss amerikanischer Universitäten und einem Stipendium der National Science Foundation unterhalten wird. Selbst bei vollständiger Besatzung während der Sommermonate ab September bot die Gruppierung vorgefertigter Kuppelbauten auf Stelzen, die man ins Eis und in den Fels getrieben hatte, nicht mehr als vierzig Seelen Platz.
Auf Grund der Geldsummen, die in die Erforschung der Ursachen für die globale Erderwärmung gesteckt wurden, entschloss man sich, die Station das ganze Jahr über offen und erreichbar zu halten. Dies war der erste Versuch in dieser Richtung gewesen – und er war in jeder Hinsicht erfolgreich verlaufen. Die Bauwerke hatten den schlimmsten Stürmen, die die Antarktis gegen sie hatte entfesseln können, standgehalten, und die Bewohner waren die meiste Zeit über sehr gut miteinander ausgekommen. Einer von ihnen, Bill Harris, war ein Astronaut der NASA und studierte als Vorbereitung auf eine bemannte Marsexpedition die Auswirkungen der vollständigen Isolation auf das menschliche Sozialverhalten.
WeeGee, wie das Team sein Zuhause während der letzten sechs Monate nannte, sah aus, als
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