Teuflischer Sog
wobei seine Stiefel den lehmigen Boden kaum zu berühren schienen. Selbst sein Beinstumpf fühlte sich gut an. Zwar war er eher an weite, offene Räume gewöhnt – ans Meer oder an die Wüste –, doch seine anderen Sinne machten wett, was seine Augen nicht sehen konnten. Ein leichter Holzrauchgeruch lag in der Luft – von einem Holzfällerbetrieb, wie er wusste –, und als der erschrockene Ruf eines Vogels aus dem Blätterdach des Dschungels an seine Ohren drang, hielt er inne und versuchte festzustellen, was den Vogel aufgescheucht hatte. War es ein Raubtier gewesen oder jemand, der denselben Weg benutzte wie Juans Team?
Die geistige Anspannung, die für das Schleichen durch den Dschungel benötigt wurde, wirkte physisch genauso erschöpfend wie der ständige Kampf gegen das Dickicht, das ihnen den Weg versperrte.
Etwas zu seiner Linken fiel Juan ins Auge. Augenblicklich sank er auf ein Knie herab und gab den Männern hinter ihm mit der Hand ein Zeichen, seinem Beispiel zu folgen. Cabrillo studierte den Punkt, der seine Aufmerksamkeit erregt hatte, durch das Visier seiner Maschinenpistole. Ein kurzer Adrenalinstoß in seinem Kreislauf schien seine Sehschärfe noch zu steigern. Er nahm keinerlei Bewegung wahr, nicht einmal einen Lufthauch, der das Laub zum Rascheln brachte. So tief unter dem Laubdach der Bäume war jede Luftbewegung eine Seltenheit. Vorsichtig drehte er sich um und veränderte seinen Blickwinkel in winzigen Schritten.
Dort.
Ein matt metallisches Leuchten. Nicht der schwarze, harte Glanz einer auf ihn gerichteten modernen Waffe, sondern der graue Schimmer alten Aluminiums, das den Elementen ungeschützt ausgesetzt war. Ihrem GPS zufolge waren sie noch immer mehrere Kilometer von dort entfernt, wo die Energiezelle gelandet sein sollte, und er fragte sich für einen Augenblick, ob sie möglicherweise auf andere Trümmerteile des abgestürzten Satelliten gestoßen waren.
Immer noch geduckt und mit der MP-5 an der Schulter verließ er den Pfad und vertraute darauf, dass alles, was nun seinem Blick entging, von seinen Männern registriert wurde. Er näherte sich dem unbekannten Objekt mit der Geduld und Wachsamkeit einer Dschungelkatze. Aus anderthalb Metern Entfernung gewahrte er die Umrisse von etwas Großem im Unterholz. Was auch immer es sein mochte, es war ganz sicher kein Teil des abgestürzten Orbiters.
Er benutzte den Lauf seiner Waffe, um ein paar Schlingpflanzen zur Seite zu schieben, die von einem Baum herabhingen, und gab dann einen überraschten Laut von sich. Sie hatten etwas entdeckt, das wie das Cockpit eines abgestürzten Flugzeugs aussah. Die Windschutzscheibe war schon vor langer Zeit geborsten, Kriechpflanzen waren eingedrungen und hatten sich wie ein Krebsgeschwür auf den Sitzen und den Innenwänden ausgebreitet. Aber was seine Aufmerksamkeit tatsächlich fesselte, war das, was auf dem Pilotensitz lag. Von dem Körper war wenig übrig, nur noch ein braungrünes Skelett, das sich gewiss schon bald ganz auflösen und mit dem Sitz verschmelzen würde. Die Kleidung war längst verfault, aber im Beckengürtel und im gedämpften Sonnenlicht lag hell glänzend ein Messingstreifen, der, wie Juan wusste, der Reißverschluss des Unbekannten gewesen sein musste.
Er stieß einen leisen Pfiff aus, und Sekunden später näherten sich Mark Murphy und Jerry Pulaski. Mike blieb in der Nähe des Pfades und hielt ihnen den Rücken frei.
»Was meint ihr?«, fragte Juan leise.
»Sieht so aus, als läge dieses Flugzeug schon eine ganze Weile hier«, sagte Jerry und schlug nach einem mausgroßen Käfer, der auf seinem Nacken gelandet war.
Marks Gesichtsausdruck verriet, dass er angestrengt nachdachte, dann aber riss er die Augen weit auf. »Das ist kein Flugzeug«, sagte er mit geradezu andächtiger Stimme. »Das ist der Flying Dutchman. «
»Verzeiht mir meine Unkenntnis, aber war die oder der Flying Dutchman nicht ein Geisterschiff?«, erwiderte Jerry Pulaski.
»Der Flying Dutchman war ein Blimp, ein Prallluftschiff«, erklärte Mark und deutete auf das Cockpit. »Schau mal zwischen die Sitze. Siehst du das große Rad? Damit wurde die Flughöhe des Blimp gesteuert. Wenn man es nach vorn dreht, wird damit das Höhenruder an der Heckflosse bewegt, und der Blimp senkt die Nase. Dreht man das Rad nach hinten, steigt die Nase hoch.«
»Wie kommst du darauf, dass dies der Flying Dutchman ist und nicht irgendein verschollenes Marineflugzeug aus dem Zweiten Weltkrieg?«
»Weil wir jeweils
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