Teuflischer Sog
mindestens fünfzehnhundert Kilometer sowohl vom Atlantik als auch vom Pazifik entfernt sind, und der Flying Dutchman ist verschwunden, während er nach einer versunkenen Stadt im Dschungel suchte.«
»Okay«, sagte Juan. »Dann erzähl doch mal von Anfang an.«
Mark konnte den Blick von der zerschmetterten Gondel des Luftschiffes nicht abwenden. »Als Kind war ich irgendwie ganz wild auf Blimps und Zeppeline. Es war eine Mode, so etwas wie ein Hobby. Davor waren es Dampflokomotiven.« Als er die Mienen der beiden sah, die ihn anstarrten, fügte er hinzu: »Ich geb ja zu, ich war ein Streber.«
»Warst?«, fragte Jerry mit todernster Miene.
»Wie dem auch sei, ich habe jedenfalls viele Bücher über Luftschiffe gelesen, über ihre Geschichte. Wie zum Beispiel die Story von L-8, einem Blimp der Navy, der im August 1942 in San Francisco zu einer Patrouillenfahrt startete. Nach zwei Stunden reinster Routine meldete die Zwei-Mann-Crew einen Ölfleck. Und zwei Stunden später kam der Blimp zurück. Allerdings ohne die Männer. Der einzige Hinweis war, dass zwei Schwimmwesten fehlten.«
»Was hat das denn mit dieser Sache hier zu tun?«, fragte Juan ein wenig ungehalten. Mark Murphy war der intelligenteste Mensch, den Cabrillo je kennengelernt hatte, und er neigte dazu, in Bereiche abzuschweifen, die bewiesen, dass er ein nahezu fotografisches Gedächtnis hatte.
»Na ja, eine andere Geschichte von einem verschollenen Blimp ist der Flying Dutchman. Ich hoffe, ich bekomme sie noch richtig zusammen. Nach dem Krieg kauften ein ehemaliger Blimp-Pilot der Navy und ein paar seiner Freunde ein ausgemustertes Luftschiff, um damit über dem südamerikanischen Dschungel umherzufliegen und nach einer Inka-Stadt zu suchen, höchstwahrscheinlich war es das sagenhafte El Dorado. Sie bauten den Blimp um, so dass er mit Wasserstoff flog. Das Zeug ist zwar unendlich explosiv, aber sie konnten es mittels Elektrolyse selbst herstellen.«
»Schatzsucher?«, fragte Pulaski zweifelnd.
»Ich habe nicht behauptet, dass sie recht hatten«, verteidigte sich Mark. »Ich sage nur, dass es sie gab.«
»Das ist ja alles schön und gut«, bemerkte Cabrillo und wandte sich von dem Cockpit und seinem grässlichen Insassen ab. »Ich habe die Lage auf dem GPS markiert, aber wir haben eine Mission durchzuführen.«
»Gib mir fünf Minuten«, flehte Mark.
Juan überlegte kurz. Und nickte dann.
Murph bedankte sich mit einem Grinsen. Er kroch durch die Öffnung, wo die Tür der Gondel abgerissen sein musste, als der Zeppelin in den Dschungel gestürzt war. Links von ihm befanden sich die beiden Pilotensitze und die Kontrollen. Rechts die eigentliche Kabine. Sie wirkte so praktisch und gemütlich wie ein Reisemobil. Und verfügte über zwei Kojen, eine Kochnische mit einer Elektrokochplatte und ein Dutzend Schränke. Er öffnete sie nacheinander und durchwühlte sie auf der Suche nach irgendwelchen Hinweisen. Als er nichts anderes fand als Fäulnis und Schimmel oder altes Besteck, das die Männer zum Zubereiten ihrer Mahlzeiten benutzt hatten, suchte er weiter.
In einem Spind fand er die metallenen Überreste eines Klettergürtels. Die Seile und Bänder hatten sich zu einem Schleim aufgelöst, aber die Teile aus Stahl waren im Laufe der Jahre unverändert geblieben. Er begriff sofort, dass sie die Gurte dazu benutzt hatten, einen von ihnen aus der Gondel hinabzulassen, um den Erdboden zu untersuchen. Er landete schließlich einen Treffer, als er die verrosteten Überreste einer Kaffeekanne öffnete, die auf dem kleinen Klapptisch zurückgelassen worden war.
Er verfluchte sich selbst, weil er ihre Bedeutung nicht sofort erkannt hatte. Die Kanne wäre sicherlich auf den Fußboden gerollt, als der Blimp abgestürzt war. Sie hätte niemals auf dem Tisch stehen dürfen, es sei denn, jemand hatte sie dorthin gestellt. Ein Überlebender. In der Kanne fand er eine etwa fünfzehn Zentimeter lange Gummihülle. Es dauerte noch einen Moment, bis er erkannte, dass es ein Kondom war. Dem Gefühl nach war irgendetwas hineingesteckt worden – Papier, wahrscheinlich – ein letzter Logbucheintrag? Das offene Ende war zugeknotet worden.
Nachdem es sechzig Jahre dort gelegen hatte, war dies sicher nicht der richtige Zeitpunkt und auch nicht der richtige Ort, um es zu öffnen. Er brauchte die Konservierungsvorrichtungen auf der Oregon, wenn er mehr erfahren wollte. Sorgfältig verstaute er das Prophylacticum in einem wasserdichten Beutel und steckte es in seine
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