Teuflischer Sog
außerdem in der UN ständig gegen strengere Sanktionen gegen Argentinien ausspricht.«
Das zwang Overholt zu einer längeren Denkpause. »Mir gefällt überhaupt nicht, was du da implizierst.«
»Mir auch nicht«, schloss Juan sich ihm an. »Aber es ist ja auch nur ein Denkanstoß. Willst du uns noch immer in der Antarktis haben?«
»Mehr denn je, mein Junge, mehr denn je.«
11
Die Aufforderung hatte nur aus einem einzigen Wort bestanden – »Komm.« Trotz der Kürze las Major Jorge Espinoza eine ganze Menge aus der Nachricht heraus – und nichts davon war etwas Gutes. Er hatte fast zwölf Stunden von der Grenze im Norden bis zum Anwesen seines Vaters in der grasbewachsenen Pampas hundert fünfzig Kilometer westlich von Buenos Aires gebraucht. Die letzte Etappe hatte er am Steuerknüppel seiner Turbine Legend zurückgelegt, einem Propellerflugzeug, das wie die legendäre Spitfire aussah und in etwa auch die gleichen Flugleistungen aufwies. Leutnant Jimenez, die Verbrennungen unter dicken Verbänden verborgen, war auf dem hinteren Sitz mitgeflogen.
Als seinem Vater das Kommando über die Neunte Brigade übergeben wurde, hatte er von dem Geld der Familie auf dem Gut ein neues Kommandozentrum und Baracken für sie erbauen lassen. Eine alte Rollbahn, etwa anderthalb Kilometer vom Haupthaus entfernt, war verlängert und asphaltiert worden, um eine voll beladene C-130 bewältigen zu können. Das Vorfeld hatte man außerdem für Helikopterlandeplätze vergrößert, und ein riesiger Wellblechhangar wurde errichtet.
Das Camp selbst war so weit vom Haupthaus entfernt, dass den General, seine neue junge Frau und ihre beiden Kinder nicht einmal Schießübungen stören konnten. Es bot den tausend Männern, die zu der Eliteeinheit gehörten, Unterkunft, und verfügte über Versorgungseinrichtungen für ihre sämtlichen Bedürfnisse. Neben dem Paradeplatz befanden sich eine Hindernisbahn und ein modernes Fitnesszentrum.
Mit ihren weiten, offenen Grasflächen, den dichten Wäldern und zwei separaten Flusssystemen war die riesige Rinderfarm wie geschaffen, um die Männer in höchster Einsatzbereitschaft zu halten.
Das in der Nähe gelegene Dorf, Salto, entwickelte sich von einer verschlafenen kleinen Farmergemeinde zu einer geschäftigen Stadt mit Einwohnern, die nur zu bereit waren, sämtliche Freizeitbedürfnisse der Soldaten zu befriedigen.
Wenn er sich dem Flugplatz näherte, überflog Espinoza das Haupthaus gewöhnlich einmal im Tiefflug. Seine Halbbrüder liebten die Maschine und bettelten ständig darum, mitfliegen zu dürfen. Aber nicht heute. Er wollte so wenig Aufmerksamkeit wie möglich auf sich lenken, während er über dem Anwesen einschwebte, wo die Frühjahrsregen das Grasland grün färbten und in frischem Glanz erstrahlen ließen.
Das Debakel im Regenwald hätte das Karriereende für jeden anderen Soldaten bedeutet – und das könnte auch auf ihn zutreffen. Sowohl als Sohn wie auch als Untergebener hatte er den General enttäuscht. Neun Männer waren unter seinem Kommando gestorben, und dann hatte Raul schließlich auch noch an der Grenze versagt und melden müssen, dass die vier Männer im Hubschrauber verschwunden waren, sechs weitere Grenzsoldaten tot und ihre Boote zerstört waren. Außerdem hatten sie zwei teure Helikopter verloren, ein dritter war schwer beschädigt worden.
Am schlimmsten von allem war aber für den Sohn und Soldaten, dass er versagt hatte. Dies war eine wahrlich unverzeihliche Sünde. Sie hatten zugelassen, dass ihnen die Amerikaner das Satellitenteil praktisch vor der Nase weggeschnappt hatten. Er erinnerte sich an das blutige Gesicht des Amerikaners, der den Pickup-Truck mit seinen verwundeten Kameraden gelenkt hatte. Trotz der blutigen Maske kannte Espinoza noch jede Einzelheit – die Form der Augen, das energische Kinn, die beinahe arrogant erhobene Nase. Er würde diesen Mann sofort erkennen, ganz gleich wo sie sich wiedersehen sollten und wie viele Jahre seitdem verstreichen würden.
Er richtete das wendige Flugzeug nach der Rollbahn aus und ließ das Fahrwerk ausfahren. Eine viermotorige C-130 parkte neben dem großen Hangar. Ihre hintere Laderampe war heruntergelassen, da konnte er einen kleinen Gabelstapler erkennen, der soeben die Rampe hinauffuhr. Espinoza wusste nichts von irgendwelchen Einsätzen der Neunten Brigade, die in naher Zukunft bevorstanden, und er war sich fast sicher, dass er nach dem Gespräch mit dem General auch nichts mehr mit der Zukunft der
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