Teuflischer Sog
angesichts der Aufmerksamkeit von Seiten der Frau seines Kommandeurs nicht besonders wohl.
»Der General ist sehr verärgert«, sagte Maxine und hakte sich bei den beiden jungen Offizieren unter. Im Innern des Hauses war es luftig und kühl. Ein Gemälde von Philippe Espinoza in einer Uniform, die er vor zwanzig Jahren getragen hatte, dominierte eine Wand. »Er ist wie ein Hengst, dem die Stute verweigert wird. Ihr findet ihn in der Waffenkammer.«
Jorge sah drei Männer, die sich in einer Ecke der Eingangshalle unterhielten. Einer wandte sich um, als sie eintraten. Er war Asiate. In den Fünfzigern. Espinoza kannte ihn nicht. Leutnant Jimenez machte Anstalten, seinem Major zu folgen, doch Maxine ließ seinen Arm nicht los. »Der General möchte ihn allein sprechen.«
Die Waffenkammer befand sich im hinteren Teil des Hauses. Ihre deckenhohen Fenster gestatteten den Blick in den Garten mit seinem Bach und den kleinen Wasserfällen. Jagdtrophäen hingen an den Wänden. Der Kopf eines mächtigen Ebers nahm den Ehrenplatz über dem aus Feldsteinen gemauerten offenen Kamin ein. Drei einzelne Gewehrschränke mit Glastüren standen im Raum. Einer, in dem der General seine automatischen Waffen aufbewahrte, war sicher verriegelt. Anden-Teppiche bedeckten den Fußboden aus mexikanischen Fliesen.
Dies war das Zimmer, in dem – als Jorge aufgewachsen war – Strafen erteilt wurden, und über dem Geruch von Ledermöbeln und Waffenöl nahm er auch den Hauch seiner eigenen Angst wahr, der sich hier jahrzehntelang gehalten hatte.
General Philippe Espinoza maß knapp unter einem Meter achtzig, hatte einen kahl rasierten Kopf und Schultern, die so breit waren wie ein Henkersgalgen. Seine Nase war gebrochen worden, als er noch ein Kadett gewesen war, und wurde nie gerichtet, so dass sein Gesicht eine maskuline Asymmetrie besaß, die es erschwerte, ihm in die Augen zu blicken. Jemanden mit Blicken in die Knie zu zwingen war nur eins der Hilfsmittel, die er benutzt hatte, um während der Diktaturen der 1970er und 80er Jahre erfolgreich zu sein.
»General Espinoza«, sagte Jorge und nahm Haltung an. »Major Jorge Espinoza meldet sich wie befohlen zum Bericht.«
Sein Vater stand hinter dem Schreibtisch und beugte sich über eine Landkarte. Sie zeigte die Antarktische Halbinsel, aber Jorge war sich dessen nicht sicher.
»Haben Sie dem Bericht, den ich gelesen habe, noch irgendetwas hinzuzufügen?«, fragte der General, ohne aufzublicken. Seine Stimme klang streng und kurz.
»Die Amerikaner müssen die Grenze noch überqueren, allerdings nicht in ihrem RHIB. Patrouillen haben auf beiden Ufern des Flusses keine Spur davon gefunden. Wir vermuten, dass sie es versenkt und den Weg über Land fortgesetzt haben.«
»Fahren Sie fort.«
»Der Hubschrauberpilot, den sie gekidnappt haben, sagt, dass der Truppführer ein Mann namens Juan war, ein anderer hieß Miguel. Der Anführer spreche Spanisch mit BA-Akzent.«
»Sind Sie sicher, dass es Amerikaner sind?«
»Ich habe den Mann selbst gesehen. Er mag Spanisch sprechen wie wir, aber er« – Espinoza hielt inne und suchte nach den richtigen Worten – »sah amerikanisch aus.«
Der ältere Espinoza blickte schließlich hoch. »Ich habe ihre spezielle School of the Americas besucht, ebenso wie Galtieri, nur Jahre später. Die Ausbilder in Fort Benning sahen allesamt so aus. Fahren Sie fort.«
»Einen Punkt habe ich in meinem Bericht weggelassen. Wir entdeckten das Wrack eines alten Luftschiffs. Die Amerikaner fanden es zuerst, und es sieht so aus, als hätten sie sich die Zeit genommen, es zu untersuchen.«
Ein versonnener Ausdruck huschte über das Gesicht des Generals. »Ein Luftschiff. Sind Sie sicher?«
»Ja, Sir. Es war der Pilot, der den Typ des Luftfahrzeugs erkannt hat.«
»Ich erinnere mich, dass eine Gruppe von Amerikanern mit einem Zeppelin den Dschungel überquerten. Das geschah damals, als ich noch jung gewesen bin. Es waren Schatzsucher, glaube ich. Sie verschwanden Ende der 1940er. Ihr Großvater hat sie auf einem Empfang in Lima kennengelernt.«
»Sie wurden jetzt gefunden. Als die Diebe unseren Helikopter stahlen, landeten sie in der Nähe des Absturzortes, als wäre er ihnen bekannt. Ich denke, sie haben ihn auf ihrem Weg zum Holzfällerlager entdeckt.«
»Und Sie sagen, sie hätten das Wrack untersucht?«
»Den Fußabdrücken nach zu urteilen, ja, Sir.«
»So etwas würden disziplinierte Soldaten wohl kaum tun, oder?«
»Nein, Sir, sicher nicht.«
Jorge
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