Texas
eigen nannte, konnten wir das jeweils passende Flugzeug aussuchen und auf zeitsparende Art fast ganz Texas bereisen.
Als wir in Corpus landeten, wurden wir von Dr. Plácido Navarro Padilla in Empfang genommen, einem älteren mexikanischen Wissenschaftler aus der Stadt Saltillo, vierhundert Kilometer südlich des Rio Grande. In den hektischen Jahren zwischen 1824 und 1833 war Saltillo die Hauptstadt von Coahuila-y-Tejas gewesen, und so bestand eine natürliche Affinität zwischen dieser und der gegenwärtigen texanischen Hauptstadt, Austin.
Er war ein eleganter Herr mit sauber gestutztem grauen Schnurrbart, einer Brille mit silbernem Gestell und dem lässigen Charme, über den so viele spanische Gelehrte verfügen.
»Dr. Padilla«, stellte unsere Mitarbeiterin von der SMU ihn uns vor, »hat sich auf die mexikanisch-texanischen Beziehungen spezialisiert.«
»Verzeihen Sie«, unterbrach sie der Gelehrte, »aber mein Name ist Navarro.«
»Aber in unserem Bericht steht, daß Sie Padilla heißen«, erwiderte Ransom Rusk.
»Das ist der Name meiner Mutter. Der kommt nach spanischem Brauch am Ende. Der Name meines Vaters - und damit der meine - ist Navarro.«
»Wir freuen uns, Sie bei uns zu haben«, sagte Rusk. »Sie haben das Wort.«
»Ihre Republik Texas wurde in den letzten Tagen des Jahres 1845 amerikanisch, und 1846 de facto in die Union aufgenommen. Da wir jetzt 1983 schreiben, sind Sie seit einhundertsiebenunddreißig Jahren Amerikaner. Sie dürfen aber nicht vergessen, daß das spanische Interesse an Ihrem Gebiet bereits mit Pineda im Jahre 1510 einsetzte. Eine ernsthafte Besiedlung begann 1581 in El Paso, und die mexikanische Hoheit endete erst 1836. Somit waren Sie dreihundertsiebzehn Jahre unter spanisch-mexikanischer Oberherrschaft. Anders gesagt, Texas war zweimal so lang spanisch, als es amerikanisch ist.«
Er setzte seinen Vortrag mit einer eindrucksvollen Analyse des spanischen Erbes in Texas fort, ein Thema, für das er bestens qualifiziert war - er hatte in sieben Sommersemestern an der Universität von Texas als Gastprofessor darüber gelesen. »Viele Ihrer Gesetze, die die Nutzung von Wasserläufen regeln, sind spanischen Ursprungs. Ein großer Teil Ihrer Bevölkerung bekennt sich zum römisch-katholischen Glauben. Ihre Städte und Bezirke tragen oft spanische Namen. Ihr bester Baustil ist der spanische Kolonialstil. Texas ist in unauslöschliche hispanische Farben getaucht - und es ist ein gutes Erbe.«
Es wurde eine äußerst interessante Tagung. Navarro sprühte Funken wie ein Schleifstein an einem frostigen Morgen, insbesondere als er auf jene drei ersten Spanier zu sprechen kam, die, wenn auch nur am Rand, eine Beziehung zu Texas herstellten.
»Soviel ich weiß, besteht unter Ihren Historikern im Augenblick die Tendenz, die Bedeutung von Cabeza de Vaca, Fray Marcos und Coronado für die Anfänge von Texas herunterzuspielen, und das kann ich verstehen. Cabeza de Vaca wurde es nie bewußt, daß er sich in Texas befand; Fray Marcos kam nicht einmal in die Nähe dieser Gegend, und wenn Coronado texanischen Boden betrat - was viele bezweifeln -, so kann das nur im Nordwesten, im ödesten Teil des >Pfannenstiels< gewesen sein.
Aber unser Interesse geht weit über die geographischen Grenzen Texas’ hinaus. Dieser Staat ist von außerordentlicher Bedeutung. Seine natürliche Einflußsphäre schließt alle Gebiete ein, die von jenen drei Männern entdeckt wurden, selbst die Gebiete im nördlichen Mexiko. Wenn wir regional denken, können wir feststellen, daß jeder Schritt, den Cabeza de Vaca, Fray Marcos oder Coronado getan haben, Auswirkungen auf Texas hatte. Diese Männer sind wichtige Faktoren in Ihrer Geschichte.
Cabeza de Vaca ist sozusagen das Urbild eines Texaners -kühn, wagemutig, dickköpfig und schneidig, ein guter Beobachter und ein Optimist, auch dann noch, wenn eine Katastrophe hereinzubrechen droht.
Fray Marcos hatte eine Vision, und so wie er die Phantasie seiner Zeitgenossen entflammte, entflammt er heute die unsere. Er ist der Schutzpatron der großen Lügner in der Geschichte
Texas’, der Abenteurer, deren Erzählungen ihre tatsächlichen Abenteuer bei weitem übertreffen.
Wenn ich den Namen Coronado höre, schlägt mein Herz höher. Ein großer Träumer, der alles auf eine Karte setzte und alles verlor, dabei aber in die Unsterblichkeit einging. Die texanische Geschichte ist voll von Leuten seines Schlags -großen Spielern, die ihren Blick über den Horizont
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