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Texas

Texas

Titel: Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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Jahrhundert?«
    »Neunundneunzig, denke ich.«
    »Genau. Und darum war auch nichts Besonderes am Jahr einhundert. Das zweite Jahrhundert mußte also mit dem Anfang von 101 beginnen.«
    Jim Bob hob drohend einen Finger. »Was Sie da reden, ist blanker Atheismus, und Reverend Hislop hat uns vor solchen Ideen gewarnt!«
    Der Dezember 1899 ging zu Ende, und der Holzstoß für das Freudenfeuer auf dem früheren Paradeplatz wuchs höher und höher, bis schließlich eine Leiter nötig war, um die Spitze zu erreichen. Damen der baptistischen und der methodistischen Kirche setzten einen alkoholfreien Punsch an, und eine Kapelle übte verschiedene Märsche.
    Das alles ärgerte Earnshaw. »Emma«, fragte er seine Frau, »wie ist es nur möglich, daß Leute unbestreitbaren Tatsachen nicht ins Auge sehen wollen?«
    »Ach Earnshaw, irgendwie gefällt neunzehnhundert auch mir. Es signalisiert so offensichtlich den Anfang von etwas Neuem.«
    Entrüstet über solche Äußerungen zog Rusk sich in die Gesellschaft von sieben anderen Herren zurück, die wie er überzeugt waren, daß das neue Jahrhundert um Mitternacht des 31. Dezember 1900 und keine Minute früher beginnen werde. Sie hielten sich von allen Feierlichkeiten fern.
    Das Jahr 1900 war von Dürre, massenweise sterbendem Vieh und enttäuschten Hoffnung in bezug auf das Hobelwerk gekennzeichnet.
    Bankier Weatherby hatte eine Interessengemeinschaft mit dreizehntausend Dollar Kapital ins Leben gerufen, um ein Hobelwerk zu errichten; die Bäume sollten mit der Bahn in die Stadt gebracht werden. Im Juli machte das Unternehmen Pleite, und die Anleger aus Larkin verloren ihr Geld. Rusks Verlust bei dem Geschäft betrug achthundert Dollar. »Ich habe die Leute gewarnt«, vertraute er Emma an. »1900 muß ganz einfach ein schlechtes Jahr werden.«
    Die jetzt dreiundvierzigjährige Emma bedauerte, daß ihr Mann spekuliert hatte. »Wir hätten das Geld Floyd geben können für unsere zwei Enkelinnen. Erzähl du mir ja nichts mehr von Hobelwerken!«
    Sie dachte jetzt besser als früher von ihrem Sohn, denn mit fünfundzwanzig wurde er langsam doch zu einem Mann. Er war immer noch stark übergewichtig, wog zweihundertzwanzig Pfund, und seine zweiundzwanzigjährige Frau Molly stand ihm nur um weniges nach. Aber sie hatten zwei hübsche, lebhafte Mädchen in die Welt gesetzt, die jetzt vierjährige Bertha und die elf Monate alte Linda, und Emma glaubte ganz fest, daß ihr Sohn trotz seines mürrischen Wesens und der Abneigung, die er gegen seinen Vater hegte, gute Aussichten hatte, etwas aus sich zu machen - denn Floyd konnte arbeiten. Das Problem sah Emma so: »Er hält es nie lange bei etwas aus. Wenn ich ihm die Aufsicht über unsere Rinder überlassen würde, weiß der Himmel, was passieren würde.«
    Zum Glück konnte sie sich auf Paul Yeager verlassen, der zwei Jahre älter und zwei Jahrhunderte weiser als Floyd war. Die Yeagers besaßen jetzt ein ziemlich großes Stück Land nördlich des Teichs. Eines Tages sagte Frank zu Emma: »Earnshaw hat uns unsere ersten achtzig Hektar geschenkt, sie aber nie urkundlich auf uns übertragen. Würden Sie so freundlich sein, ihn daran zu erinnern, daß mein Junge und ich eine Menge Arbeit in diese achtzig Hektar gesteckt haben? Wir würden uns sicherer fühlen.«
    »Das ist doch selbstverständlich. Natürlich werde ich es ihm sagen.«
    Mitte Dezember erinnerte sie ihren Mann: »Es gehört sich nicht, daß du den Yeagers keinen Eigentumstitel auf ihr Land gegeben hast. Bitte geh zu Gericht und bring das in Ordnung.«
    »Du hast recht!« Natürlich mußte die Schenkung formalisiert werden, und Earnshaw versprach, sich darum zu kümmern, sobald er und seine Logiker das neue Jahrhundert gebührend empfangen hatten.
    Er und die sieben Freunde, die bei der Verteidigung der Vernunft auf seiner Seite gestanden hatten, genossen es weidlich, das neue Jahrhundert gebührend zu begrüßen, obwohl kein Mensch bereit war, mit ihnen mitzufeiern.
    Nach den tragischen Ereignissen des Abends kursierten Gerüchte, wonach der Quäker, Earnshaw Rusk, die Nüchternheit in Person, bei seiner Feier zur Geburt des neuen Jahrhunderts sich hatte vollaufen lassen; andere vertraten die Meinung, Gott selbst habe eingegriffen und Rusk für seine Blasphemie, den falschen Anfang des Jahrhunderts zu feiern, bestraft. Wie auch immer: Als Rusk seine feiernden Freunde verließ und den alten Paradeplatz im Schatten seines geliebten Gerichtsgebäudes zu überqueren begann, kamen zwei

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