Texas
junge Cowboys von der Rusk-Ranch im Galopp dahergeprescht. Den ersten von ihnen sah Earnshaw und konnte dem sich aufbäumenden Pferd gerade noch ausweichen, aber er sah nicht den zweiten, dessen Tier scheute, Earnshaw zu Boden schleuderte und auf seinem Kopf herumtrampelte.
Der neunundfünfzigjährige Quäker war in so guter körperlicher Verfassung, daß Herz und Lunge weiterfunktionierten, während er das Bewußtsein für immer verloren hatte. Drei qualvolle Tage siechte er dahin. Emma saß Tag und Nacht an seinem Bett, und selbst Floyd kam einmal ins Zimmer, um seinem Vater widerwillig einen Anstandsbesuch abzustatten.
Am vierten Tag führte eine schwere Gehirnblutung zu völliger Lähmung. Am sechsten Tag verschlechterte sich der Zustand des beschädigten Gehirns noch weiter. Earnshaws Finger krallten sich in die Decke, und auch seine Beine versuchten sich ans Bett zu klammern. Als schließlich das Ende kam, mußte man ihn mit Gewalt losreißen.
Am Tag der Beerdigung kamen vier Komantschen aus dem Reservat bei Camp Hope in die Stadt geritten, und man erlaubte ihnen, am Grab zu singen. Floyd Rusk und seine Frau waren darüber empört, vor allem angesichts der Scheußlichkeiten, die Emma vor Jahrzehnten von den Indianern hatte erdulden müssen; am meisten aber erzürnte es sie, daß Emma, die Frau ohne Ohren und mit einer hölzernen Nase, in den Gesang der Indianer mit einstimmte.
Die Tragödie von Lakeview, der Cobbschen Plantage, begann an einem Morgen im Jahre 1892, als ein Feldhüter laut rufend ins Herrenhaus gelaufen kam: »Master Cobb, in den Baumwollkapseln ist etwas Furchtbares drin!«
Laurel Cobb, der tüchtige Sohn von Somerset Cobb und Petty Prue, der jetzt die Plantage leitete, eilte hinaus, um zu sehen, von welcher Kleinigkeit seine Leute sich hatten aufregen lassen, mußte aber bald feststellen, daß es sich wirklich um eine Katastrophe handelte. »Die Hälfte aller Baumwollpflanzen ist von einem Käfer befallen«, berichtete er seiner Frau Sue Beth, als er ins Haus zurückkam.
»Ist der Schaden groß?«
»Riesengroß. Sie haben den ganzen Kapselinhalt gefressen.«
»Soll das heißen, daß unsere Baumwolle verloren ist?«
»Genau das heißt es.«
Der Baumwollkapselkäfer war auf den Feldern von Osttexas aufgetaucht, und mit jedem folgenden Jahr wurde die Plage schrecklicher. Ganze Pflanzungen wurden vernichtet, und es gab keine Gegenmaßnahmen, um der Zerstörung Einhalt zu gebieten. Der Käfer legte seine Eier in die reifenden Kapseln, die Larven fraßen die Samenfäden, und zum Schluß war die Pflanze vollkommen wertlos.
In seinem Bezirk war Cobb der erste, der die Regierung aufforderte, »etwas zu unternehmen«. Das Landwirtschaftsministerium schickte einen jungen Fachmann, der den ortsansässigen Pflanzern mitteilte, was man bereits herausgefunden hatte:
»Die ursprüngliche Heimat des Baumwollkapselkäfers ist Mexiko. Er kam über die Grenze zuerst nach Texas. Er scheint pro Jahr etwa dreihundertvierzig Kilometer vorzurücken. Bald wird er in Mississippi und Alabama und dann auch in Georgia und in den Carolinas sein.
Wir wissen nicht, wie man ihn aufhalten oder vernichten könnte. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als zu hoffen, daß ein anderes Insekt ihn angreift. Ich rate Ihnen, suchen Sie sich Land weiter im Westen, wo er die Pflanzen nicht befällt, denn der Baumwollkapselkäfer hat einen eingebauten Kompaß. Er braucht Feuchtigkeit, und auf der Suche danach zieht er immer weiter nach Osten.«
In den Jahren zwischen 1892 und 1900 mußte Cobb zusehen, wie seine einst prächtige Plantage dem Ruin entgegensteuerte. Seine Felder, die einst Schiffs- und später Waggonladungen von Ballen produziert hatten, erbrachten jetzt ganze fünfzig brauchbare Ballen.
Das Jahrhundert ging zu Ende. Traurig gestand Laurel seiner Frau: »Sue Beth, es hat keinen Sinn, daß wir uns noch länger etwas vormachen. Das Schicksal unserer Felder ist besiegelt.« »Du meinst, Lakeview ist am Ende?«
Ohne diese Frage zu beantworten, holte er den Bericht eines Beirats der Baumwollpflanzer aus der Tasche: »Diese Leute sagen, es gebe wunderbares neues Land in der Nähe eines Ortes namens Waxahachie.«
»Ein komischer Name für eine Stadt!«
»Ich kenne sie nicht, aber nach dem, was die da schreiben, könnte sie unsere Rettung sein.« Er nahm den nächsten Zug nach Waxahachie und kam begeistert zurück: »Ich kann dort vierhundert Hektar für fünfundsiebzig Cents den Hektar bekommen.«
»Aber hat sich
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