Texas
Wanderprediger, der sich grundsätzlich von dem durchgeistigten Elder Fry unterschied. Norris war ein aggressiver Mann, der gegen Kneipenwirte, Besucher von Pferderennen, liberale Professoren und ganz besonders gegen Frauen tobte und wetterte, die einen Bubikopf trugen und deren Röcke über den Knöcheln endeten.
Sein Erzfeind aber war die römisch-katholische Kirche, über die er mit ganz besonders wilden und phantasievollen Anschuldigungen herzog: »Sie ist die finsterste und blutigste ekklesiastische Maschine, die es je gegeben hat. Sie ist der Feind des heimischen Herdes, der Ehe und jeder edlen menschlichen Regung. Der Papst brütet einen Plan aus, um Texas zu erobern, aber ich habe einen Plan, um ihn zu schlagen!«
Ein Historiker der University of Texas veröffentlichte Jahre später Dokumente, denen zufolge die Sache nicht mit Norris begonnen hatte, sondern mit der Ankunft von drei Fremden, die einander nicht gekannt hatten, aber nach einer Weile gemeinsame Sache machten. Der erste Neuankömmling war ein Mann aus Georgia, der haarsträubende Geschichten darüber erzählte, was er und seine Freunde schon alles erreicht hätten. Der zweite kam aus Mississippi und versicherte den Einwohnern von Larkin, daß in Zukunft sein Staat die Dinge in die Hand nehmen werde. Der größte Einfluß jedoch scheint von dem dritten Mann ausgegangen zu sein, einem Verkäufer von Landmaschinen, der mit erstaunlichen Neuigkeiten aus Indiana aufwartete: »Unsere Jungs sind gerade dabei, den ganzen Staat da oben unter ihre Kontrolle zu bringen!«
Diese Angaben reichen kaum aus, um die Rolle einschätzen zu können, die die Religion bei alledem spielte, denn nur wenige Geistliche waren aktiv beteiligt. Andererseits war so gut wie jeder, der sich in die Sache hineinziehen ließ, ein frommer Angehöriger der einen oder anderen protestantischen
Kirche, und die Bewegung gewährte der Religion wichtige Unterstützung.
Was immer auch die Ursache war, Anfang Dezember 1919 begannen in ganz Larkin County Männer in langen weißen Kutten mit Masken und manchmal auch mit konischen Kapuzen verhüllt zu erscheinen. Der nach dem Bürgerkrieg entstandene Ku Klux Klan erlebte eine stürmische Auferstehung.
In Larkin ging es noch verhältnismäßig glimpflich zu. Es wurde keiner gehängt und keiner auf einem Scheiterhaufen verbrannt. Allerdings peitschte man einige Menschen aus. Der Ku Klux Klan ließ sich noch am ehesten als eine Gruppe radikaler Patrioten begreifen, allesamt gläubige Christen, die eine Wiederherstellung der historischen Tugenden von 1836 und 1861 herbeisehnten. Es war eine Bewegung von Männern, die sich an der Industrialisierung, an der Verlagerung der moralischen Werte und an dem allgemeinen gesellschaftlichen Wandel stießen; sie waren entschlossen, das zu bewahren und zu erneuern, was sie für den Grundzug des amerikanischen Lebens hielten. Auf ihren Versammlungen und in ihren Veröffentlichungen versicherten sie sich gegenseitig, daß sie keinerlei andere Ziele verfolgten.
Auch war der Ku Klux Klan in Larkin nicht einfach Ausdruck eines Aufstands gegen die Schwarzen - weil es nämlich nach den ersten paar Tagen keine Schwarzen mehr in der Stadt gab. Anfangs hatten zwei Familien in Larkin gelebt, Nachkommen jener schwarzen Kavalleristen, die zurückgeblieben waren, als das 10. Kavallerieregiment Fort Garner endgültig verlassen hatte. Zuerst hatten die beiden Männer mit einer Indianerin zusammengelebt; später hatte sich eine weiße Landstreicherin dazugesellt, so daß die jetzige Generation eine ziemliche Mischung war.
Nachdem sich die Bewegung »etabliert« hatte, waren es diese Menschen, denen sich die Ku Kluxer als erstes »zuwandten«. Ein aus vier Mann bestehendes Komitee marschierte eines Abends im Dezember in voller Aufmachung durch die Stadt und stattete den schwarzen Familien einen Besuch ab. Es kam nicht zu Gewalttaten, sie gaben nur einfach eine Erklärung ab: »Wir können uns mit dem Gedanken nicht anfreunden, daß Leute eurer Art noch länger in unserer Stadt leben.« Man schlug den Schwarzen vor, nach Fort Griffin zu übersiedeln, was sie sofort akzeptierten, und sie bekamen sogar noch sechsundzwanzig Dollar für die Kosten des Umzugs.
Auch seine Abneigung gegen die Juden äußerte der Klan vergleichsweise moderat. Bankier Weatherby, jetzt schon ein alter Herr und einer der ersten, der sich dem Klan angeschlossen hatte, setzte die drei jüdischen Ladenbesitzer in der Stadt einfach davon in Kenntnis,
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