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Texas

Texas

Titel: Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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geheimes Wissen besitzen, zu dem die Männer keinen Zugang haben. Die Frauen sind gefährlich, und deshalb erlassen die Männer Gesetze, mit denen sie ihnen Beschränkungen ihrer Freiheit auferlegen.
    Für die Mitglieder des Ku Klux Klan war Sexualität etwas äußerst Verwirrendes, und in dieser finsteren Nacht glaubten sie nun Nora, der drei Vorderzähne fehlten, als Versucherin bestrafen zu müssen, die den armen Jake zu seinem unmoralischen Leben verführt hatte. Was tun mit ihr? Es bestand keine Neigung, sie nackt auszuziehen, und so zerrten zwei Ku Kluxer sie zu dem flammenden Kreuz hinaus, bestrichen ihr ganzes Kleid vorne und hinten mit Teer und bestreuten es reichlich mit Federn. Dann wurde Nora hinter ihrem Lebensgefährten auf den Balken gesetzt, den nun zwei weitere Ku Kluxer tragen helfen mußten, und in dieser Prozession paradierten die Kapuzenmänner durch die Straßen von Larkin, ein Schild vor sich hertragend, auf dem zu lesen stand: »M it der U nmoral in L arkin muss S chluss sein !«
    Jake und Nora reagierten nicht so, wie die Mitglieder des Ku Klux Klan gehofft hatten. Als die Prozession vorüber war, kehrten sie in ihr Haus zurück, kratzten sich den Teer ab und erzählten »niemandem nix«. Samstag früh trat Jake wie jeden Tag zur Arbeit in der Werkstatt an und grüßte freundlich jeden, der vorbeikam. Er hatte keine Ahnung, wer die Männer gewesen waren. Zum Mittagessen ging er nach Hause; am Nachmittag machte Nora ihre Einkäufe. Am Sonntag angelte Jake im Teich, wie er es gewohnt war, während Nora im Gras vor ihrer Hütte saß, wo das brennende Kreuz einige Spuren hinterlassen hatte.
    Dieses Verhalten ärgerte die Mitglieder des Ku Klux Klan über alle Maßen. Sie besorgten sich einen alten Karren und einen wertlosen Klepper und fuhren damit am Montag abend zu Jakes Haus. Sie schoben die zwei Eheunwilligen hinauf, luden den Wagen mit so viel Hausrat voll, wie sie erwischen konnten, und fuhren nach Westen, zu einer Stelle, von wo aus nichts mehr zu sehen war von dem schönen Turm des Gerichtshauses, das Recht und ordnung in diesem Teil von Texas repräsentierte. Dort setzten sie Jake grob auf den Kutschbock und gaben ihm die Zügel in die Hand: »Die Straße runter liegt Fort Griffin. Die nehmen jeden.«
    Nach Sonnenuntergang kehrten die Kapuzenmänner nach Larkin zurück. Zwei Stunden später waren auch Jake und Nora wieder da. Sie fuhren die vertrauten Straßen zu ihrem Haus hinunter, packten ihre Habe wieder aus und gingen zu Bett.
    Das war am Montag. Am Mittwoch abend wurde Jake erschossen hinter der Werkstatt aufgefunden.
    Gegen kein Mitglied des Klans wurde Anklage erhoben -schon allein deshalb nicht, weil niemand mit Bestimmtheit sagen konnte, wer sie waren und ob sie es überhaupt getan hatten. Zumindest war das die offizielle Version. Natürlich wußten alle, daß Floyd Rusk - der seinen Schmerbauch auch unter einem weiten Bettlaken nicht verbergen konnte - einer der Anführer, vielleicht sogar der Anführer war, aber es fand sich keiner, der beschwören wollte, daß er gesehen hatte, wie Floyd Rusk den alten Jake mit Teer bestrichen hatte.
    Man wußte ja auch, daß Clyde Weatherby ein aktives Mitglied war - so wie der Eisenwarenhändler, der Arzt, der Lehrer und der Apotheker. Etwa vier Dutzend andere Herren, die ehrenwertesten in der Gemeinde, kamen später dazu. Erfüllt von Patriotismus und Religiosität machten sich diese Männer daran, alle Aspekte des Lebens in Larkin unter die Lupe zu nehmen.
    Sie zwangen sechs Mitbürger, ihre Haushälterinnen zu heiraten. Sie hielten zwei jungen Frauen, die viele Männerbekanntschaften hatten, Strafpredigten, und sie zwangen einen Obst- und Gemüsehändler, über den sich mehrere Hausfrauen beklagt hatten, seinen Laden dichtzumachen. Er wurde nicht geteert und gefedert und auch nicht ausgepeitscht - diese Strafen verhängte man nur bei sexuellen Übertretung -, aber sie jagten ihn aus der Stadt und empfahlen ihm, sich nach Fort Griffin abzusetzen, wo man es mit der Ehrlichkeit nicht so streng nahm.
    Zu Beginn des Jahres 1922 hatten diese Männer Larkin in die Form gebracht, die ihnen zusagte. Selbst einige Katholiken waren weggezogen, weil sie befürchtet hatten, daß die nächsten Repressalien gegen sie gerichtet sein würden, und so war die Einwohnerschaft der Stadt homogen wie keine zweite in ganz Texas geworden. Es war eine Gemeinschaft protestantischer Christen, in der man die geltenden Regeln befolgte und Verstöße streng ahndete.

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