Texas
gewesen. Die drei mittlerweile erwachsenen Menschen - Damián war jetzt 47, Alvaro 38 und Benita 29 - hatten sich an eine Routine gewöhnt, die alle Beteiligten mit großer Befriedigung erfüllte. An zwei oder drei Tagen in der Woche nahm Damián sein Abendessen mit der Familie seines Bruders ein; dazu brachte er so viel Gemüse aus dem Missionsgarten neben der Kirche mit, wie er entbehren zu können glaubte, sowie Fleisch von den Tieren, die Domingo von der Ranch zum Schlachten mitgenommen hatte. Wenn sich ein Problem stellte, das entweder die Mission oder das Presidio betraf, berieten sich die Brüder während des Essens, und oft war es Benita, die eine gute, praktikable Lösung anzubieten hatte.
Merkte Alvaro etwas von diesem ungewöhnlichen Dreieck, von dem er ein stummer Teil war? Er spielte nie darauf an. Er hieß seinen Bruder mit mehr als nur brüderlicher Zuneigung willkommen und sah keine unerfreulichen Folgen eines möglicherweise gefährlichen Arrangements voraus.
Das mochte zum Teil daran liegen, daß Damián so dienstbeflissen war - nicht nur, indem er zu den Mahlzeiten beisteuerte, sondern auch mit seiner Freundschaft zu den drei Jungen. Er spielte mit ihnen, brachte ihnen Lesen und Schreiben bei und nahm sie oft in die Mission mit, damit sie bei Fray Domingo singen lernten. Besondere Zuneigung hatte er immer schon für Benitas ältesten Sohn, Ramón, erkennen lassen, einen klugen und lebhaften jungen, der jetzt elf Jahre alt und sehr wissensdurstig war. Schon vor Jahren hatte Damián seine törichte Hoffnung aufgegeben, daß Ramón eines Tages Priester werden würde.
Sie alle würden Spanien nie wiedersehen, keiner von ihnen, das wußten sie, aber in Tejas hatten sie die Freude entdeckt, die in einem erfüllten Leben und gut getaner Arbeit liegt.
Am 5. September 1734, einem Tag, an den man sich mit Entsetzen zurückerinnern sollte, kam ein kleiner Indianerjunge mit einer Geschichte zum Tor der Mission Santa Teresa gelaufen, die nur ein Kind erzählen konnte, ohne sich dabei zu erbrechen.
Hunderte von Apachen waren über den Rancho hergefallen und hatten systematisch alle Hütten verbrannt und alle Tiere davongejagt. Die Indianer der Mission, die versucht hatten, den Rancho zu verteidigen, waren erschlagen worden, alle neun Kinder gefangengenommen, und die fünf Frauen. Dem kleinen Jungen fehlten fast die Worte, um zu beschreiben, was mit ihnen geschehen war: »Die Apachen haben ihnen die Kleider ausgezogen, und dann, wißt Ihr. und dann haben sie sie auseinandergeschnitten.«
Fray Damián hielt sich an seinem Stuhl fest. »Sie haben.?«
»Sie haben sie auseinandergeschnitten«, wiederholte der Junge und zeigte, wie sie erst einen Finger weggeschnitten hatten, dann noch einen, die Hand, einen Fuß, die Brüste, bis zum letzten brutalen Aufschneiden des Bauches von links nach rechts.
»Heilige Mutter Gottes!« rief Damián. »Was ist mit Fray Domingo geschehen?« Das Kind brach in Tränen aus.
»Als sie gerade nicht hersahen«, erzählte er im Yuta-Dialekt, »bin ich zu den Gebüschen am Fluß gelaufen. Da habe ich mich den ganzen Tag versteckt gehalten, und als es Nacht wurde. ach, ich bin so müde.«
»Das verstehe ich ja«, sagte Damián sanft und nahm den Jungen auf den Schoß. »Aber was ist mit Fray Domingo geschehen?«
»Mit dem Kopf nach unten. Über einem Holzstoß. Seine Füße an einem Ast festgebunden. Ohne Kleider. Sie haben ein Feuer unter seinem Kopf angezündet. Die Frauen haben Holz nachgelegt, damit es auflodert, dann haben sie ihm einen Finger und eine Zehe abgeschnitten. Er hat geschrien.« Das Kind schauderte und wollte nicht weitersprechen.
Man mußte eine Strafexpedition gegen die Apachen organisieren und, wenn möglich, die gefangenen Kinder und überlebenden jungen Frauen retten und in Sicherheit bringen. Eine Streitmacht, bestehend aus dreißig Soldaten, sechzehn Laienbrüdern, zwei Dutzend Indianern und vier Fratres machte sich auf den Weg zum Rancho Santa Teresa, wo rauchende Trümmer von der Verwüstung zeugten, die die Apachen angerichtet hatten. Die zornigen Männer hielten sich nicht einmal damit auf, Fray Domingos Leiche abzuschneiden, die immer noch am Baum hing; sie nahmen die Spur der Apachen auf und ritten los. Drei Tage lang versuchten sie sie einzuholen, aber es gelang ihnen nicht. Als sie enttäuscht umkehren wollten, vernahmen sie ein Wimmern in einem Gebüsch und fanden darin versteckt die siebenjährige Schwester des Jungen, der geflohen war. Als
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