Texas
eingefallen, Leute wie Goras und dessen des Lesens und Schreibens unkundige Bauern mit Don anzusprechen.
Die Soldaten und die meisten Fratres weigerten sich kategorisch, das zu tun, aber Goras und seine Insulaner feuerten eine Petition direkt nach Mexico-Stadt ab, in der sie vom Kommandanten verlangten, daß er ihren Protest auf seinem eigenen Stempelpapier niederschrieb.
Das war zuviel. »Wenn Ihr mir noch mehr Ärger macht, Goras.«
Noch bevor er seine Drohung zu Ende bringen konnte, fuhr ihn der Einäugige in lautem, beleidigendem Ion an: »Und wo sind die Mühlsteine, die uns der König geschenkt hat? Wahrscheinlich habt Ihr sie gestohlen. Ich werde eine Klage einbringen, damit sie wieder in unseren Besitz gelangen.« Der Kommandant hatte nie etwas von diesen Steinen gehört, aber einige Monate später wurden sie in Saltillo abgeliefert, zusammen mit einer Botschaft des Königs, wonach sie seinen treuen Untertanen in Bexar zuzustellen seien. Außerdem hieß es in der Botschaft:
»Auf Grund von Versprechungen, die in meinem Auftrag gemacht wurden, sind alle Familienoberhäupter, die Lanzarote verlassen haben, um sich an diesem gefährlichen Unternehmen zu beteiligen, als Hidalgos anzusehen und mit dem Titel Don anzusprechen.«
Ein Federstrich des Königs hatte die Bauern von den Kanarischen Inseln zu adeligen Hidalgos gemacht.
Fray Damián ließ, nachdem er für die Forderungen der Insulaner nach einem Bewässerungsgraben eingetreten und ihnen bei den Anfangsarbeiten sogar zur Hand gegangen war, seinen Zimmermann Simon Garza und zwei seiner fleißigsten Indianer zu sich rufen: »Bevor die Siedler ihren Graben ausheben und ihr Wasser ableiten, wollen wir den unseren in seiner ganzen Länge vertiefen.«
Während die Arbeiten fortschritten, mußte er feststellen, daß Simon Garza sich häufig entfernte. Damián fing an zu glauben, daß der stets so zuverlässige Zimmermann seine Pflichten verletzte. Dieses merkwürdige Verhalten beunruhigte ihn so sehr, daß er begann, Garza schärfer zu beobachten. Als der Zimmermann sich eines Morgens wieder einmal davongestohlen hatte, folgte ihm Damián in den größeren der beiden Schuppen, wo er ihn schlafend vorzufinden erwartete, während die anderen schufteten.
Nachdem er seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatte, ging er langsam auf eine Ecke zu, die ein Sonnenstrahl erhellte. Denn dort war sein Blick auf ein Wunder gefallen, auf ein wahres Wunder. In aller Heimlichkeit hatte Garza drei
Eichenbretter zurechtgehauen und aneinandergefügt und dann eine Seite der so entstandenen Tafel geglättet und poliert. Von der Holztafel hatte er sieben große Quadrate abgesägt und war nun dabei, drei weitere Eichenbretter aneinanderzufügen und so eine zweite Tafel herzustellen, von der er wieder sieben Quadrate absägen konnte.
Vor sich hatte er ein in Spanien angefertigtes riesiges Gemälde einer der vierzehn Kreuzwegstationen hängen, jene in allen Kirchen gezeigten Darstellungen des Leidensweges Jesu Christi durch die Straßen Jerusalems. Garza hatte dieses Bild aus der Missionskirche genommen. Darunter, auf einer Art waagrechter Staffelei, ruhte eines der sieben Quadrate. Nur mit improvisiertem Werkzeug ausgerüstet, hatte er ein Schnitzwerk der dritten Station fast fertiggestellt: Jesus Christus, der, gebeugt unter dem schweren Kreuz, das er tragen muß, auf das Kopfsteinpflaster der Via dolorosa fällt. Unterhalb der Gestalt des Gottessohnes erhoben sich aus dem Holz die Worte JESUS CAE POR PRIMERA VEZ (Jesus fällt zum erstenmal).
Mit dem instinktiven Verständnis des Mysteriums von Christi Leidensweg, wie er Tiefgläubigen zu eigen ist, schuf dieser ungebildete Zimmermann ein Meisterwerk, das der größte Schatz der Stadt Bexar werden sollte.
In vieler Hinsicht war die Mission Santa Teresa 1733 auf ihrem Höhepunkt angelangt: Die friedlichen Indianer rund um Bexar hatten gelernt, innerhalb des Geländes zu leben und die Predigten anzuhören, obwohl sie keine Neigung erkennen ließen, Christen zu werden; auf der Ranch hatte Fray Domingo großen Erfolg mit seinem Vieh und ein bißchen weniger großen mit seinen Apachen erzielt (zwei von ihnen sangen sogar in seinem Chor mit); die Zusammenarbeit zwischen
Mission und Presidio war so gut wie nie zuvor. Dafür hatten die Brüder Saldaña gesorgt. Es war eine Zeit des Friedens, insbesondere mit den Franzosen im Norden.
Fray Damiáns Beziehungen zu seinem Bruder Alvaro und zu seiner Schwägerin Benita waren nie besser
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