Texas
er bestand darauf, Goras genannt zu werden. Er war Mitte fünfzig, Analphabet, hatte fünf Kinder und nur ein Auge. Er und dreiundfünfzig seiner Landsleute bestiegen das Schiff, das sie nach Mexico bringen sollte. Zwei Monate mußten sie auf Cuba verbringen; zehn schwüle Lage dauerte die Fahrt von dort nach Vera Cruz, wo »el vomito« -Fieber mit Bluterbrechen - die meisten niederwarf und mehrere Passagiere tötete. Am 1. August verließen sie Vera Cruz und hielten auf die Vulkane zu. Nach siebenundzwanzig qualvollen Lagen erreichten sie das majestätische, von den Vulkanen Popocatepetl und Ixtaccihuatl beherrschte Hochtal von Mexico. Dort in der Mitte lag die herrliche Hauptstadt mit ihrer Universität, ihren Druckereien, ihren großen Speiselokalen und herrschaftlichen Wohnhäusern. Fast drei Monate lang blieben Goras und seine Landsleute in einem Außenbezirk der großen Stadt. Einige von ihnen, darunter auch Goras’ Frau, starben; junge Leute heirateten, aufgeriebene Pferde wurden - auf Kosten des Königs - durch neue ersetzt, und manche der Spanier, auch Goras, begannen mit dem Gedanken zu spielen, in dieser angenehmen Umgebung zu bleiben, statt nach Tejas weiterzuziehen.
Aber auf Befehl des Königs mußten sie sich in Bexar niederlassen, und so reisten sie am 15. November 1730 weiter, erreichten Saltillo Mitte Dezember und ruhten in dieser schönen Stadt mit ihrem gesunden Klima und dem guten Essen bis Ende Januar 1731 aus.
Noch mehr Menschen starben; Kinder wurden geboren; am 7. März erreichten die zukünftigen Siedler den Rio Medina, nicht weit von der Stelle entfernt, wo Fray Domingo seinen Rancho aufgebaut hatte. Am 9. März 1731 erschien Goras mit seinen Landsleuten vor dem Tor der Mission Santa Teresa, wo sie von einem hageren Frater begeistert begrüßt wurden: »Endlich seid ihr Siedler gekommen! Ich bin Fray Damián, und alles in dieser Mission steht euch zu Diensten. Dank sei Gott, daß er euch nach eurer langen Reise sicher zu uns gebracht hat!«
Schon nach wenigen Wochen drohte der streitsüchtige Goras Klagen einzubringen - gegen Damián, weil er es unterlassen habe, Wohnraum für die Leute aus Lanzarote zu beschaffen, gegen Fray Domingo, weil er sich weigere, die Erträge des Rancho zur Verfügung zu stellen, und gegen Hauptmann Saldaña wegen Gesetzesübertretungen, die zu zahlreich seien, um sie einzeln anzuführen. Da keiner der Neuankömmlinge schreiben konnte und weil er wußte, daß die Klagen auf einem ganz bestimmten Papier aufgelistet werden mußten, drangsalierte Goras Fray Damián de Saldaña, die Anschuldigungen gegen seinen Bruder Alvaro de Saldaña abzufassen, und vice versa. Und tatsächlich erreichten so viele völlig verzerrte Berichte Zacatecas, daß der dortige Kommandant eines Morgens brüllte: »Was zum Teufel ist in Bexar eigentlich los?«
Goras hatte bereits fünf Klagen eingereicht, aber die Siedler hatten immer noch keine Steinhäuser, keine Gärten, keine Pferde und, was das Schlimmste war, kein Wasser. Daß dies ein unhaltbarer Zustand war, sah sogar Fray Damián nach einer Weile ein. »Wir müssen unser Wasser und die Früchte unseres Bodens mit diesen Leuten teilen«, sagte er.
Noch vor Tagesanbruch fuhren Domingo und drei Indianer zum Rancho hinaus und beluden einige Karren mit Gemüse und überschüssigen Geräten. Sie trieben Kühe, Ziegen und Schafe zusammen und legten sich dann für ein paar Stunden zur Ruhe; gegen Abend kehrten sie zu den neuen Siedlern zurück.
Inzwischen steckten Damián und Garza beim Licht der Sterne eine Linie ab, nach der ein Bewässerungsgraben entlang der Hügelkette so angelegt werden konnte, daß das Wasser vom Rio Antonio direkt auf die Felder der Insulaner fließen konnte.
Als die Männer aus Saltillo alle Probleme um die Insulaner für endlich gelöst hielten, kam Goras in Begleitung von zweien seiner Männer mit einer neuen Forderung ins Presidio marschiert: »Man hat uns zugesichert, daß wir uns, sobald wir unsere sicheren Häuser verlassen und in diese Wildnis ziehen, auf Grund unserer Tapferkeit hidalgos mit dem Recht auf den Titel Don nennen können. Ich bin daher mit Don Juan anzusprechen. Dieser da ist Don Manuel de Niz, und der neben mir Don Antonio Rodriguez.«
Das Wort hidalgo besteht aus drei kleinen Wörtern: hijo-de-algo, wörtlich Sohn-von-etwas oder, im übertragenen Sinn, Sohn-von-etwas-Bedeutendem, und selbst einem Angehörigen des niederen Adels wie Don Alvaro de Saldaña wäre es nicht im Traum
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