Texas
ich müßte auf diesem letzten Teil bestehen!«
»Also, Clarence, hier ist mein Vorschlag: Sie und ich, wir einigen uns darauf, daß Miss Cobb, eine gute Protestantin, und Professor Garza, ein ebenso guter Katholik, diesen letzten Abschnitt auf die Frage hin untersuchen, ob er ihnen akzeptabel erscheint. Ich finde, daß hier keine Bekehrung Andersgläubiger betrieben werden soll. Einverstanden?«
EL CAMINO REAL
Don Ramón de Saldaña, der älteste Sohn von Oberst Álvaro und Benita, war Sechsundsechzig Jahre alt und befand sich geistig und körperlich in ausgezeichneter Verfassung. Oft dachte er an die drei großen Freuden und die drei großen Tragödien in seinem Leben zurück.
Er war der alleinige Besitzer des ausgedehnten Rancho El Codo, zehntausend Hektar Land in einer Biegung des Rio Medina gelegen, jenes Flusses, der die Grenze zwischen den Provinzen Coahuila und Tejas bildete. Es war ein reiches Stück Land, mit Tausenden von Rindern, Schafen und Ziegen. Am wichtigsten aber war, daß es an einen Abschnitt der Caminos Reales, des königlichen Straßennetzes, angrenzte, das sich wie die Speichen eines Rades von Mexico-Stadt aus in alle Richtungen ausbreitete. Dieser Teil verband Vera Cruz, Mexico-Stadt, San Antonio de Béjar, wie die Stadt jetzt genannt wurde, und die frühere Hauptstadt von Tejas, Los Adaes. Daß die Straße am Rancho vorbeiführte, bedeutete, daß Don Ramón Proviant an die königlichen Truppen verkaufen konnte, die diese lebenswichtige Verbindung patrouillierten.
Ramón hatte, wie sein Großvater in Spanien, nacheinander sieben Söhne gezeugt - ohne »ungebührliche Besudelung durch eine Tochter«, wie er sich zu rühmen pflegte. Der Ehrentitel eines Ritters vom Hosenschlitz war zwar in Mexico nicht gebräuchlich, aber Don Ramón liebte es dennoch, sich damit zu schmücken.
Seine dritte und größte Freude am Abend seines langen Lebens an der Grenze war seine Enkeltochter Trinidad. Sie war dreizehn Jahre alt, und in den nördlichen Provinzen ließ sich kaum ein reizenderes Kind finden. Zierlich, dunkelhaarig, äußerst lebhaft, und obwohl sie kein eitles Mädchen war und ein gutes Pferd einem schönen Kleid vorzog, sah sie immer adrett aus.
Was Fremden an Trinidad am meisten auffiel, das war ihr eigenartiges Gesicht. Es war ein schönes Gesicht mit einem makellosen hellen Teint, der von ihrem reinen spanischen Blut zeugte, aber ihr Mund war seltsam schief geformt, wie zu einem zeitlosen Lächeln. Wären ihre übrigen Gesichtszüge nicht so perfekt gewesen, dieser kleine Makel hätte ihr Aussehen beeinträchtigt; statt dessen verlieh er ihr einen zusätzlichen Reiz.
Trinidad war ein kluges Kind. Ihr Großvater, der in sie vernarrt war, hatte sie angehalten, Cervantes zu lesen, aber auch die Bibel und sogar die weniger anstößigen Liebesgeschichten, die in Mexico-Stadt gedruckt wurden; und ein französischer Kleriker hatte sie seine Muttersprache gelehrt. Ihr größtes Talent bewies sie aber auf dem Rücken eines Pferdes. In Trinidads Fall war es ein ganz besonderes Pferd, ein lebhafter brauner Wallach mit dem Namen Relampaguito - Kleiner Blitz.
Don Ramón bereitete es großes Vergnügen, mit Trinidad am frühen Morgen auszureiten, Béjar, wo die Sal dañas ihr Stadthaus hatten, hinter sich zu lassen, und die Richtung einzuschlagen, in der die Mission Santa Teresa lag. Vom Presidio nahm er sich einen bewaffneten Soldaten mit, und weiter ging es bis zu seinem Rancho.
Die große Tragödie in Don Ramóns Leben war, daß alle sieben Söhne, die er gezeugt hatte, noch zu seinen Lebzeiten gestorben waren: vier im Dienst des Königs - zwei in Spanien, zwei in Mexico; einer an der Cholera, die periodisch in den nördlichen Provinzen wütete; und zwei waren von Apachen gemartert und skalpiert worden. Alle waren tot, und Don Ramón mußte oft an das weise Wort denken: »Im Frieden begraben die Söhne ihren Vater; im Krieg begraben die Väter ihre Söhne.« In Tejas hatte es immer Krieg gegeben: Drohungen seitens der Franzosen, Krieg gegen die Apachen, einen eher komischen Krieg gegen die Piraten, die von der Karibik aus versuchten, ins Land einzusickern, schließlich den nicht enden wollenden Krieg gegen die Natur. Und es fiel ihm deshalb so schwer, den Tod seiner Söhne zu akzeptieren, weil sich die Kriege, in denen sie gekämpft hatten, oft als unnötig erwiesen hatten. Sein vierter Sohn, Bartolome, war in einem Gefecht mit den Österreichern gefallen, und kurz darauf wurde ein ehrenvoller
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