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Texas

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Titel: Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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Bauwerken ist die geistige Geschichte Texas’ bewahrt. Aber wir sprechen von Form und Funktion, nicht von Theologie, und ich möchte meine Ausführungen damit beschließen, daß ich Ihnen vor Augen führe, wie kreativ die Missionen zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts ihre Pflichten wahrnahmen und, als ihre Arbeit am Ende dieses Jahrhunderts getan war, ihre Aktivitäten einstellten. San Juan Capistrano ist ein gutes Beispiel. Im Jahre 1716 unweit von Nacogdoches gegründet, wurde die Mission nach einiger Zeit aufgegeben und nahm ihre Tätigkeit an einem Ort in der Nähe von Austin wieder auf. Dann wurde sie wieder aufgegeben und nach San Antonio verlegt, wo sie einige Erfolge erzielte: Zweihundertfünfzig seßhafte Indianer, fünftausend Rinder, eigene Baumwollfelder und Wollwarenfabrikation. Doch als die Mission 1793 säkularisiert werden mußte, gab es nur mehr ein Dutzend christliche Indianer, keine zwanzig Stück Vieh, und die Webstühle waren dringend reparaturbedürftig.«
    Bruder Clarence ließ nun eine Reihe von Dias auf der Leinwand aufleuchten, die die einzelnen Missionen zeigten, wie sie zu verschiedenen Zeiten vor der Restaurierung im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert ausgesehen hatten. Wir waren von ihrem kläglichen Zustand geschockt. Verfallene Mauern, Berge von Schutt und Abfall, eingestürzte Dächer in jeder der kleinen Kirchen. »Säkularisieren«, erläuterte Bruder Clarence, »das heißt, ein Gebäude, das einen religiösen Zweck erfüllt, einem weltlichen Zweck zu überführen. Als die Missionen ihren Zweck erfüllt hatten, übergab die Kirche sie der weltlichen Regierung. Alle rissen sich um das Land, aber keiner wußte etwas mit den Baulichkeiten anzufangen, also ließ man sie verkommen oder entfernte sie, um für Neubauten Platz zu schaffen.«
    Als die Lichter wieder aufflammten, lächelte er und sagte leise: »Was für ein herrliches Konzept! Und mit einem Mal war es überholt!«
    »Warum eigentlich?« wollte Miss Cobb wissen. »Was hat Ihren Missionen den Garaus gemacht?«
    Er dachte kurz nach und lachte dann leise: »Eigentlich waren sie schon durch die Bedeutung des Wortes Mission dem Untergang geweiht.«
    »Wie soll ich das verstehen?« fragte Miss Cobb.
    »Von Anfang an war jede Mission in Texas nur für kurze Zeit gedacht. War die Arbeit an einem Ort getan oder hatte sie sich als undurchführbar erwiesen, so mußten sich die Missionare sofort der nächsten Herausforderung stellen.«
    »Wenn das so ist, wieso sehe ich dann fünf aus Stein errichtete Gebäude?«
    »Einen Mann wie Fray Damián, von dem ich vorhin sprach, kann man nie davon überzeugen, daß sein Werk ein Provisorium ist. Wenn er erst einmal die erste Adobekirche errichtet hat, fängt er an, für die Ewigkeit zu bauen.«
    »Aber Sie sagten doch, seine Mission sei verschwunden?«
    »Andere haben sie zerstört, nicht er. Damiáns Erfolg übertrifft alle Vorstellungskraft. Ihre Form verschwand. Wurde völlig zerstört. Aber das Vermächtnis ist geblieben. Die Missionen in Texas hätten uns nicht allzuviel hinterlassen, wenn es sich ausschließlich um Architektur gehandelt hätte. Ohne ein Leitprinzip wären die Fratres in dieser Wildnis nicht weit gekommen, und dieses Leitprinzip war das Christentum.
    Sie gründeten die spätere Stadt San Antonio und den Staat Texas. Das ist ihr Vermächtnis.«
    »Sie haben uns eine phantastische Interpretation geliefert, Clarence«, meinte Rusk. »Sagen Sie mal: Wäre es nicht möglich, Ihre Ausführungen in Buchform herauszubringen? Ein Buch, das man an allen Schulen in Texas verbreiten könnte? Ich möchte so ein Buch drucken lassen, Clarence. Den jungen Menschen die wahre Geschichte der Missionen vermitteln, wie Sie sie uns eben erzählt haben. Ich würde natürlich verlangen, daß Sie diesen letzten Teil, das mit dem Christentum, weglassen.«
    Prompt konterte der junge Gelehrte: »Dann würde mich Ihr Angebot nicht interessieren. Ein Buch über die Missionen schreiben und ihre religiöse Grundlage ignorieren? O nein!«
    Aber Rusk war ein schlauer Fuchs. »Ich meine natürlich ein Buch mit Illustrationen:    mit Ihren hervorragenden
    Zeichnungen und Ihren Farbfotografien...«: Man konnte förmlich sehen, wie überrascht Bruder Clarence von diesem neuen Aspekt war, aber auch wie das Gift der Eitelkeit in ihm arbeitete.
    »Das würde mich schon sehr freuen, Mr. Rusk«, sagte Clarence langsam. Rusk stand auf und klopfte ihm auf die Schulter, worauf Clarence hinzufügte: »Aber

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