Texas
möge ihr ein Lächeln schenken, und je öfter sie ihn sah, desto besser gefiel er ihr, aber sie war vernünftig genug, zu begreifen, daß Dorotea ihr zuvorgekommen war.
Im dunklen Turm erklangen die Glocken. Ein Nachtwächter begann seine Runden und nickte den Bürgern, die die Plaza verließen, freundlich zu. Trinidad de Saldaña, aufgeregt wie nie zuvor, drückte die Hand ihres Großvaters mit ungewohnter Innigkeit und flüsterte ihm zu, während sie zum Gasthof zurückschlenderten: »Saltillo ist wunderbar, Großvater;
dagegen nimmt sich Tejas so öde aus.«
Dorotea hatte sich schon am frühen Morgen umgehört und wußte viel zu berichten, als die Saldañas zu ihrer Elf-UhrSchokolade herunterkamen: »Er ist Franzose. Er kommt aus Nueva Orleans. Seine Familie hat große Weingärten in Frankreich, aber sein Vater fabriziert Dinge für den Bergbau und schickt sie nach Vera Cruz. Von dort gehen sie in die Hauptstadt.«
»Was macht der Herr in Saltillo?« erkundigte sich Don Ramón. Auch darauf wußte Dorotea eine Antwort: »Er will erfahren, ob wir an Orten wie Béjar und Monclova Bergwerke haben.« Sie zwinkerte Trinidad zu. »Er fährt auch nach San Luis Potosi, um zu versuchen, den Leuten dort eine wunderbare neue Maschine zu verkaufen. Er heißt René-Claude d’Ambreuze. Er spricht schönes Spanisch, und er ist im anderen Gasthof abgestiegen.«
»Ein Geschäftsmann also«, stellte Don Ramón geringschätzig fest. »Wann reist er denn nach Potosí?« Trinidad blieb beinahe das Herz stehen, denn im Geist sah sie bereits, wie sich dieser göttliche junge Mann für die sechshundert Kilometer zum Zentrum der Bergbauindustrie ihnen anschloß.
»Er wird gleich dasein«, hörte sie Dorotea sagen, worauf Engracia in strengem Ton das Wort an sie richtete: »Ihr habt doch nicht etwa mit ihm gesprochen, ohne ihm vorgestellt worden zu sein?«
»Natürlich nicht«, erwiderte Dorotea schnippisch und zupfte an ihrem Kleid. »Ich habe ihm durch seinen Gastwirt vorschlagen lassen, hier vorbeizukommen.«
»Mein liebes Kind!« entrüstete sich Engracia. »Das war wirklich dreist, wenn nicht gar schamlos!«
»Seht nur!« Über die enge Straße, an der die zwei Gasthöfe lagen, kam der junge Franzose daher, Sonnenlicht auf seinem hellen Haar.
»Ist das der Gasthof von Señor Galindez?« fragte er mit genügend Akzent, um zu verraten, daß er kein Spanier war. Kaum hatte er die Frage gestellt, als er Dorotea sah; er erkannte sie wieder, verneigte sich tief und sagte mit viel Charme und ohne daß es abgeschmackt geklungen hätte: »Die kleine Prinzessin von gestern abend!«
Trinidad nahm das alles wahr und auch, daß er stillstand und darauf wartete, in aller Form aufgefordert zu werden, Platz zu nehmen. Don Ramón erhob sich, schlug die Hacken zusammen und verneigte sich, wie es dem Granden geziemte, der er war.
»Junger Herr, meine Familie und ich, wir würden uns geehrt fühlen, wenn Ihr Euch zu uns setzen und uns erzählen würdet, was in dieser bemerkenswerten Stadt Nueva Orleans vor sich geht.«
Der junge Mann verneigte sich ebenso würdevoll und erklärte mit so leiser Stimme, daß Trinidad ihn kaum hören konnte: »Ich bin René-Claude d’Ambreuze und würde mich sehr geehrt fühlen, würdet Ihr mir erlauben, mich zu Euch und zu Euren zwei Töchtern zu setzen.«
»Ich bin eine Galindez aus dieser Stadt«, sagte Dorotea frech, als er neben ihr Platz nahm. »Das sind die Saldañas aus Béjar in Tejas. Und das ist meine gute Freundin Trinidad de Saldaña.«
René-Claude nahm diese Vorstellung kaum zur Kenntnis, denn die kleine Trinidad schien, verglichen mit der selbstbewußten Dorotea, noch recht jung zu sein. »Ich war vor einigen Wochen kurz in Béjar. Sehr klein. Aber dieses Saltillo, ach, das ist ein kleines Paris.«
»Wart Ihr einmal in Paris?« platzte Trinidad heraus.
»Ich bin in Paris geboren.«
»Oh, wie sieht es dort aus?« Zum erstenmal schaute der junge d’Ambreuze Trinidad direkt ins Gesicht, sah ihre leuchtenden Augen und ihren seltsam geformten Mund und dachte: Was für eine nette jüngere Schwester sie doch abgeben würde.
»Ich kenne Paris nicht besonders gut«, antwortete er ehrlich. »Man brachte mich fort, als ich noch ein Kind war.« Er wandte sich, wie es sich ziemte, Don Ramón zu. »Aber Nueva Orleans, das ist etwas anderes. Ach! Die Königin des Mississippi!«
René-Claude war von liebevollen Tanten und Gouvernanten gut erzogen worden und zeigte es auch an diesem herrlichen
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